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    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
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    El Toro betritt mit „Danke für alles“ Neuland und hat die Pflöcke für die erste Geschichte im Setting von Archolos (auch bekannt als der Gothic-Mod, die alles richtig gemacht hat) eingeschlagen!

    Ich habe die Mod ja auch genossen wie sonstwas und denke auch immer noch mit wohligen Gefühlen an sie zurück. Gleichzeitig hat mein äußerst selektives Gedächtnis schon wieder die meisten Details aus dem Spielerlebnis gelöscht, was den Wiederspielwert für mich natürlich erhöht, beim Lesen und vor allem beim Kommentieren einer solchen Geschichte aber auch ein bisschen peinlich sein kann, wenn ich mal wieder Dinge vergessen habe, die ich eigentlich noch wissen sollte.

    Indes: Die Grundbegriffe dieser Welt samt den wichtigsten Orten und Personen sind mir noch geläufig, und so konnte ich mich in der Einleitung dieser Geschichte schnell wieder in alles einfinden. Aus der Pädagogik oder anderen Halbwissenschaften weiß man ja: Wenn man Erfahrenes und Gelerntes mit einer Emotion verknüpft, dann behält man es länger im Gedächtnis. Kein Wunder also, dass ich beim Stichwort Beckett sofort Bescheid wusste; und auch, wenn ich mir zunächst nicht sicher war, ob Vrazka ein aus dem Spiel bekannter Name ist, so war mir die Sache mit der Schatulle auch sofort geläufig. Und was im geliebten Silbach so abgeht, das habe ich natürlich auch noch nicht völlig vergessen, die etwas kratzbürstige Martha allen voran.

    Die Handlung gibt die Wasser-und-Unterwasserthematik hier natürlich vor, aber ich kam trotzdem wieder nicht umhin, zu bemerken, dass du diese Situationen des (unkontrollierten) Untertauchens gerne in deinen Geschichten verwendest, so zum Beispiel in deiner letzten SnB-Geschichte, wo ich in der Kommentierung dazu bestimmt auch schon Ähnliches gesagt habe und auf die vielen Unterwassermetaphern in deiner Klassikerstory „Durch einen Spiegel ein dunkles Bild“ verwiesen habe!


    Wahrscheinlich ist diese Stelle gar nicht mal so sehr der Interpretation zugänglich und ich lese hier zu viel hinein, aber dass Vrazka erst jetzt die Idee kommt, ertrinken zu können, fand ich irgendwie auffällig, vor allem angesichts des Umstandes, dass sie ja vorher bereits Wasser geschluckt und die Orientierung verloren hat – ich hätte da an ihrer Stelle schon längst den ersten Gedanken daran verschwendet, dass es das jetzt wohl für mich gewesen ist. Daraus könnte ich entnehmen: Entweder ist Vrazka deutlich mutiger als ich, oder aber vor allem gottesfürchtiger, und war bis dato mit einem Gottvertrauen gesegnet, dass schon alles irgendwie immer gutgehen würde.

    Am Ende geht es dann – offensichtlich und ja auch den Spielinhalten entsprechend – aber nicht gut, weil Vrazka dem Meerwasser und/oder einem Lurker oder einem anderen nichtmenschlichen Biest anheimfällt.

    Im zweiten Post geht es dann erst einmal mit Martha in Silbach weiter, und ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass das Vrazka-Intro nun für längere Zeit erst einmal in weitere Ferne rückt, bevor die Geschichte es wieder aufgreift. Umso überraschter war ich, dass Vrazka direkt im zweiten Post wieder auftaucht – wenn auch nur als schön gemaltes Plakat, dafür dann aber auch in Verbindung mit dem Storytitel.

    Damit ist dann auch direkt das erste, vielleicht auch zentrale Rätsel der Geschichte aufgegeben: Was soll dieses Plakat, woher stammt es, wofür wird sich bedankt – und warum ist der Dank samt Bild ausgerechnet an Vrazka gebildet, welche Silbach ja niemals lebend betreten hat und dort eigentlich eine Unbekannte ist? All diese Ungereimtheiten bergen ja schonmal Spannung für sich und machen erst so richtig Lust auf die Geschichte.

    Diese Vorfreude teilt Martha, obwohl sie genau die gleichen Fragen stellt, dagegen nicht. Dafür weist sie mit ihrem Schlusssatz in diesem Abschnitt noch einmal darauf hin, dass in Silbach irgendwie alles marode sei. Und auch hier greift die Gelegenheit des Geschichtenanfangs, einfach mal frei zu spekulieren: Was von den geschilderten Umständen, was von den geäußerten Bemerkungen könnte später noch einmal wirklich sein, was dagegen ist nur schmückendes Beiwerk? Haben wir es hier mit den üblichen Alterungsprozessen eines sich selbst überlassenen Dorfes zu tun, oder steckt hinter dem allgegenwärtigen Verfall vielleicht auch mehr? Eine ja doch recht plötzlich in sich zusammenfallende Steinkapelle ist ja nicht nur auffällig – das bemerkt Martha ja selbst –, sondern angesichts ihrer Funktion ja auch ziemlich symbolträchtig. Oder jedenfalls: Potentiell symbolträchtig, denn ob das alles in einem bestimmten Zusammenhang steht, auf den die Geschichte irgendwann hinauswill, das wird man ja allenfalls später in der Erzählung erfahren.

    So oder so: Allein, weil ich meine eigene Zeit in Silbach & Co. so genossen habe, freue ich mich auf diese Geschichte und ihren Fortgang.
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    Ich möchte hier nochmal die Werbetrommel rühren und jeder und jedem die Mod "Archolos" ans Herz legen, die es einfach wert ist, mit einer kleinen Geschichte gewürdigt zu werden, sei sie auch noch so banal. "Archolos" selber ist alles andere als banal, versteht sich.
    Genau, wir befinden uns auf der gleichnamigen Insel, und eigentlich kann ich gar nicht mehr viel dazu sagen, wenn ich noch nicht zu viel verraten will.
    Für das kleine Stückchen Text hat John einen gewaltig langen Kommentar verfasst, für den ich mich hiermit bedanke und heute auch gleich noch etwas nachlegen will, um die Ungereimtheiten noch etwas zu vergrößern und meinen Leser (also John ) noch mehr zu verwrren.

  2. Beiträge anzeigen #142 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
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    Der Nachschlag in „Danke für alles“, den El Toro uns serviert, ist üppig! Entgegen der Ankündigung ist er aber gar nicht mal so verwirrend, weil er die in den ersten Posts vorbereiteten Themen vor allem aufgreift und intensiviert.

    Das betrifft zum einen den fortschreitenden Verfall auf der ganzen Insel Archolos, der hier nun vom ganz kleinen (vergammelte Lebensmittel) bis ins ganz Große (versunkene Inseln und Krater) eskaliert, wobei die ganz großen Verfallserscheinungen Martha nur zugetragen werden, statt dass sie sie selber wahrnimmt. Ob diese Differenzierung später in der Geschichte noch Bedeutung entfalten wird, Stichwort Wahrheitsgehalt der Berichte, wird sich zeigen.

    So oder so sind alleine die harmloseren Verfallserscheinungen, die Martha in ihrer unmittelbaren Umgebung beobachtet, ja schon merkwürdig genug. Alles geht vor die Hunde, so ist es geradezu mantraartig von allen Seiten zu hören. Aber was sonst von anderen Leuten aus einer Früher-war-alles-besser-Einstellung heraus einfach nur dahergesagt würde als Ausdruck individuell-persönlicher Unzufriedenheit, ist hier die Beschreibung einer ebenso mysteriösen wie gefährlichen Bedrohung, die Archolos heimzusuchen scheint.

    Verwirrt war ich dann allerdings doch noch, nämlich ganz am Ende der neuen Abschnitte, als Terry danach fragt, wann das ganze Unglück eigentlich angefangen hat, und Martha antwortet: „Als ich das erste Flugblatt abgerissen habe.“ Sofern damit wirklich die erste Vrazka-Zeichnung an der Anschlagtafel gemeint ist, stimmt das ja nicht: Viele der Verfallserscheinungen waren ja längst zuvor auf Archolos wahrzunehmen, von den brennenden Sümpfen zum Beispiel angefangen. Soll uns Vrazkas Eigenwahrnehmung irgendetwas sagen; braucht sie eine Erklärung, einen Zusammenhang, möglicherweise auch abergläubisch begründet einen Schuldigen für das alles – und den sucht sie dann vorsichtshalber mal bei sich selbst? Oder ist das hier auch einfach inmitten der Tristesse einfach nur dahergesagt? Auch das wird sich vielleicht noch zeigen.

    Alles rund um Vrazka ist dann das zweite große Thema, das in der Fortsetzung weiter breitgetreten wird. Das passiert zum einen durch das nun an allen möglichen Orten wie von Geisterhand auftauchende Konterfei der Frau, wobei die Szene mit Paulus und dem Sand sicherlich die eindrucksvollste, mysteriöseste und auch unterschwellig schaurigste ist. Spätestens hier hat man das Gefühl: Von Bemühungen, eine „normale“ Erklärung für all das zu suchen, können alle Beteiligten eher erstmal Abstand nehmen.

    Das passt dann aber auch ohnehin gut zur zweiten Ausprägung des Vrazka-Themas, in der Vrazka noch einmal ganz leibhaftig vorkommt. Denn wenn Bodowin ins Spiel kommt, dann kann man ja direkt davon ausgehen, dass hier etwas oder vielleicht auch direkt alles nicht mit rechten Dingen zugeht. Angesichts des Gebarens und der Experimentierfreude des Alchemisten, die ja auch im Spiel ein ums andere Mal zum Tragen kam, überfiel mich hier auch direkt ein Schauer bei der Nachricht, dass die halblebendige Vrazka in seine Fänge geraten ist. Aber selbst ohne dieses Vorwissen: Offensichtlich bösartiger als Bodowin in dieser Szene kann man seine eigenen Absichten ja kaum zur Schau stellen!

    Inmitten dieser beiden Themenschwerpunkte – zwischen denen ja durchaus Verknüpfungen auszumachen sind – fädelt sich dann gekonnt Marthas ganz persönliche Geschichte ein. Mir gefällt das auch gut, dass du gerade die Person als Protagonistin gewählt hast, die im Spiel ja doch sehr stereotyp als „Kratzbürste, aber sie kocht gut“ dargestellt wird. Denn es zeigt sich: Auch sie hat ein Innenleben, das von Wünschen, Ängsten, Sorgen, Befürchtungen, Abneigung und Zuneigung geprägt ist. Die Sache mit Lutz ist dann ja auch ein Anknüpfungspunkt, der aus dem Spiel entnommen ist. So richtig blüht Martha ja aber erst in der Begegnung mit Terry auf; und der zuvor noch als absoluter Lappen geltende Bastian ist inmitten all dieser dramatischen Veränderungen auf Archolos nun doch eher sowas wie eine Konstante, an die Martha sich gedanklich festhalten kann.

    Einen Bonuspunkt möchte ich übrigens noch für das kleine Detail spendieren, dass Marthas vielgerühmter Eintopf in seiner Zusammenstellung je nach Saison und teils auch Zufall variiert. In einer Welt, in der die Lebensmittel nicht per globaler Lieferkette ganzjährig von allen Teilen des Erdballs in heimische Supermärkte gelangen, ist das auch die einzig realistische Lösung – im Gegensatz zu einer minutiös und nach immergleichem Geheimrezept gekochter Mahlzeit.

    Die Geschichte hat Fahrt aufgenommen – und ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich besonders gespannt darauf bin, wie übel die Übel noch werden, die Martha und alle anderen Bewohner Archolos' nach und nach heimsuchen.
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  3. Beiträge anzeigen #143 Zitieren
    Auserwählter Avatar von Ronsen
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    Ronsen ist offline
    Ich hatte Archolos mal angezockt; war echt nicht übel. Habs leider nur bis in die Stadt geschafft; die war mir dann irgendwie zu groß und dann hab ichs aus den Augen verloren.

    Vielleicht kann mir El Toros Geschichte "Danke für alles" ja wieder die nötige Muße geben, dem Spiel noch eine zweite Chance einzuräumen. An einige Details konnte ich mich gut erinnern, wie das Intro mit dem Schiffbruch, in dem Vrazka noch vorkommt, dann aber am Strand verstirbt, die Atmosphäre von Silbach, die Goldmine, das Kloster ... das weckt schon Erinnerungen. Ich habe keine Ahnung, ob die Insel im Spiel auch droht unterzugehen. Kann also sein, dass ich mich jetzt hart spoilere, aber das nehme ich einfach mal in Kauf

    Den ganzen Verfall der Insel hast du echt schön ekelig dargestellt und mit dem ständigen Auftauchen neuer Zeichen zu Vrazka scheint es fast so, als ob die Insel verflucht wurde. Die Atmosphäre war echt bedrückend. Einer der wenigen Charaktere, dessen Psyche stabil genug zu sein scheint, um dem etwas entgegenzusetzen, ist Tavernenbetreiberin Martha, die echt Haare auf den Zähnen zu haben scheint. Ihre Mission ist jetzt, ihren Eheflüchter Lutz in die Finger zu bekommen, der sie vor dem möglichen Untergang der Insel retten will. Da bahnt sich jetzt schon ein spannendes Aufeinandertreffen an!

    Und dann wäre da noch Bodowin, der Alchemist, der womöglich mit seinen Experimenten an Vrazka all das Elend losgetreten haben könnte. Die Puzzleteile sind recht weit verstreut, noch kann ich das Muster nicht erkennen. Aber ich bin - wie sagen die jungen Leute? - jetzt schon hooked und freue mich auf weitere Kapitel!

  4. Beiträge anzeigen #144 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    El Toro ist offline
    Ich danke euch beiden, John und Ronsen, und fühle mich ermutigt, den eigentlich schon fertigen Schluss zu posten, wenn ich den USB-Stick mit meinem bescheidenen Geschreibsel wiederfinden sollte.

    Und weil's so schön ist: Das in der Geschichte zitierte Lied von Terry.

    PS zum Verlust des USB-Sticks: K1 kommentierte dies mit "USB-Stick? Frag doch mal im Museum, ob ihn jemand da abgegeben hat, harharhar!"
    Geändert von El Toro (02.03.2024 um 14:42 Uhr)

  5. Beiträge anzeigen #145 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
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    Danke für alles“ von El Toro findet sein – und das ist ja passenderweise auch eines der Schlüsselworte in den abschließenden Posts – Ende. Und das Ende, wie der Verlauf der Geschichte insgesamt, kann einen ganz schön ins Rätseln bringen!

    Rein äußerlich sind die Geschehnisse dabei noch relativ klar, und man kann sie auch ganz gut in zwei Stränge ordnen:

    Strang 1: Bodowin missbraucht Vrazka bzw. ihren mittlerweile seelenlosen Körper, so wie der Alchemist das schon mit seinem Alchemistenvorgänger getan hat, und Marvin sieht in aller Sachlichkeit und mit – so kommt es mir jedenfalls vor – eher pflichtgemäß geäußerten Bedenken dabei zu.

    Strang 2: Martha sieht dem fortschreitenden Verfall und dem immer weiter eskalierenden Untergang hilflos zu und scheint aber nahezu die einzige zu sein, die das Ganze als wirklich dramatisch empfindet und sich auch angemessen dazu äußert, und fühlt sich offenbar auch deshalb ziemlich allein.

    Das verbindende Element ist dann auch hier Vrazka, die Martha den ganzen Weg über verfolgt. Während das anfangs nur ein wenig mysteriös ist und beim Aufsteigen des Luftballons sogar bizarr komisch, gerät das mit den in den Fenstern der Stadt erscheinendem Konterfei Vrazkas dann endgültig zu einem alptraumhaften Psychoterror.

    Gerade letzten Posts jetzt fand ich bezüglich beider Stränge einfach noch einmal richtig gut geschrieben, mit all den Ausschmückungen und Nebendetails, die sich mit sich bringen, sei es die Beziehung zwischen Martha und Lutz, die gegenseitig bei sich Schutz suchen, sei es der Astrologe, der im allgemeinen Endzeitszenario seine kruden Berechnungen zum Besten gibt. Höhepunkt und Herzstück, vor allem hinsichtlich des in der Geschichte verbreiteten Grauens, war für mich bei allem aber Bodowins Sinnieren darüber, wie toll er Vrazka(s Körper) im Gegensatz zu seinem vorherigen Versuchsobjekt findet. Als das Ganze dann gegen Ende noch mit einem Schuss im wahrsten Sinne des Wortes perverser Gefühlsduselei, kulminierend in sogenannter Dankbarkeit seitens Bodowin mündet, ist der Horror perfekt – und der Kreis der Geschichte gewissermaßen ja auch ein bisschen geschlossen. Toll geschrieben, das alles!

    Von diesen rein äußerlichen Geschehnissen abgesehen, die ja schon für sich genommen sehr einnehmend beim Lesen sind, kann man jetzt natürlich noch mutmaßen, was der Sinn dahinter ist, welche Bedeutung die Geschichte hat und was sie einem eigentlich sagen will. Oder besser formuliert: Was sie einem sagt, denn glücklicherweise kann so Geschichten ja jeder lesen, wie er so möchte, und ob man dahinter kommt, was sich der Autor dabei so gedacht hat, ist ja im Regelfall eh Produkt von Zufälligkeiten und Glück.

    Deshalb sage ich jetzt einfach mal, wie ich die Geschichte – gerade gegen Ende so – so gelesen habe und warum sie mir daher auch so gut gefällt, und das lässt sich für mich in dem Satz zusammenfassen, den ich mir nach dem Lesen daruntergeschrieben habe: Es geschieht mitten unter euch und die Signale sind überall und überdeutlich, aber obwohl ihr es seht, seht ihr es trotzdem nicht. Das wäre für mich eine Botschaft, die man der Geschichte entnehmen könnte, wenn man denn wollte!

    Zum einen wird das sehr deutlich an Marvins Verhalten: Der schaut Bodowin ja gewissermaßen und fast schon live dabei zu, wie der Vrazka foltert, ist davon aber auch nur so mittelintensiv empört und macht außerdem so überhaupt gar keine Anstalten, den Alchemisten davon abzuhalten. Dass er Bodowin nicht stoppt, hat also nicht etwa damit zu tun, dass er zu wenig darüber wüsste, was Bodowin macht und was für eine Art Mensch er ist. Vielmehr hat es damit zu tun, wie Marvin diese Informationen bewertet und wie er seine eigene Rolle bei dem Ganzen einstuft. Und da scheint er das Ganze dann doch nicht für so überaus dramatisch zu halten, dass er sich mit Bodowin – an dessen Lippen er dann ja auch hängt – anlegen müsste. Er will ja immerhin noch seinen Trank für seinen Bruder, und überhaupt hat er ja sein eigenes Fortkommen, um das er sich kümmern muss. Und das gibt Bodowin die Möglichkeit, seine Experimente an fremden Körpern geradezu unverhohlen und in direkter Nachbarschaft zum Dorf (und einem freundlichen Sänger) durchzuführen, ohne, dass das mal jemand unterbinden würde. Dabei müsste Vrazka eigentlich in aller Munde sein, und selbst ihr Bild ist überall bekannt, dass sich geradezu wie ein geisterhafter Hilferuf erst über das ganze Dorf und schließlich über die ganze Insel von selbst plakatiert. Aber so richtig auf Spurensuche scheint da jedenfalls keiner gehen zu wollen. Vrazka ist eben für niemanden wichtig – außer, und das eben auf diese ganze perverse Weise, für Bodowin, aber das eben auch nur als Mittel zum Zweck, das sich bald verbraucht haben wird.

    Zum anderen wird diese „Ja merkt ihr es denn nicht?!“-Haltung in Marthas Hilflosigkeit ob des fortschreitenden Untergangs Archolos' deutlich. Sie bildet so gesehen auch fast einen Gegenpol zu Marvin – und den vielen anderen Leuten –, die im Prinzip das Gleiche sehen wie sie und hier und da ein wenig Missmut zum Ausdruck bringen, dabei aber äußerst passiv und inaktiv bleiben und deutlich weniger mitgenommen wirken. Das trifft aus meinem Erleben beim Lesen sogar auf den Astrologen und sein Gerede von einer kosmischen Katastrophe zu. Denn auch wenn der bei seinem Vortrag ein durchaus großes Publikum vor sich versammelt hat, bleibt diese Angst vor dem Ende und dem Zusammenbruch doch irgendwie abstrakt und sehr ritualisiert. Den ganz persönlichen emotionalen Einschlag, den scheint dann eben doch (fast) nur Martha in dieser Intensität zu erleben, und da habe ich eben immer wieder ein Gefühl von „Ich bin allein mit Problemen, die eigentlich alle angehen“ herausgelesen. Dass sie am Ende dann Lutz in die Arme fällt, ist dabei dann vielleicht auch nicht nur von Verzweiflung getrieben, sondern auch von dem Gefühl, dass es da mal jemanden gibt, der ihren Horror über all das teilt. Das passt für mich auch zum Rest des Geschehensverlaufs: Immer, wenn andere mal wenigstens mal anerkannt haben, dass hier etwas sehr Merkwürdiges vor sich geht – sei es Terry, sei es Caramon, sei es der Bettler –, dann hatte das für Martha, aber auch für mich beim Lesen etwas unterschwellig Entlastendes, einfach deshalb, weil Martha ihr Erleben mal wenigstens ansatzweise von anderen Leuten widergespiegelt bekommt und sie sich nicht fragen muss, ob sie selber nicht vielleicht einfach spinnt angesichts der Dinge, die sie sieht und fürchtet.

    Diese Aspekte sind es jedenfalls, die mich gerade gegen Ende der Geschichte sehr eingenommen haben. Vielleicht auch, weil ich gerade selber an einer Geschichte (oder vielleicht auch mehreren) schreibe, bei der eine ähnliche Atmosphäre zu Tage tritt. Vielleicht habe ich diese Geschichte auch deshalb so gelesen – wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, der sieht ja bekanntlich überall Nägel.

    So oder so und was auch immer man in diese Geschichte hinein- oder herausliest: Sie hat mir sehr gut gefallen und war ein schöner, angesichts der hier fokussierten Thematik rund um Bodowins Treiben aber auch ein wenig bittersüßer Rückblick auf die vielen schönen Abenteuer auf und in Archolos.


    P.S.: Einen Tippfehler habe ich gefunden:
    Er stützte sanft ihren Kopf, benetzte ihre trockene Zunge mit ein paar Tropfen, bis der Schlickreflex einsetzte.
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    Geändert von John Irenicus (16.03.2024 um 11:19 Uhr)

  6. Beiträge anzeigen #146 Zitieren
    Auserwählter Avatar von Ronsen
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    Ronsen ist offline
    So, ich habe mir auch den Rest von El Toros "Danke für alles" gegönnt. Hui, das war echt cool und gruselig mit einer sehr gelungenen Spannungskurve, gerade am Ende. Ich hab's jetzt so interpretiert, dass sich die gesamte Geschichte um Martha quasi in einer gedachten Realität des dahinscheidenden Geistes von Vrazka abspielt. Wie eine Nahtoderfahrung. Dieser Fantasie-Aspekt erklärt für mich dann auch solche natürlichen "Unlogiken" wie dass sich die Erde plötzlich langsamer dreht oder dass Sterne einfach erlischen (sowas muss aus rein astrophysikalischer Perspektive ja schon vor Millionen von Jahren passiert sein, ehe man das auf seinem Heimatplaneten wahrnimmt - wenn man das ignoriert und sich der Vorstellung hingibt, ist es einfach richtig packend gruselig). Ein Gefühl von Machtlosigkeit für alle Seiten. Die Interaktion mit der anderen Realität einzig und allein durch den immer wiederkehrenden Satz "Danke für alles" von Bodowin. Vrazka als Bindeglied ihres eigenen Kosmos, der sie, das große Ganze, gar nicht erkennt. Dass das Ende völlig unvermittelt mitten im Satz kommt, knallt richtig rein. Gänsehaut!

    Vielleicht hab ich's auch völlig anders interpretiert als es angedacht war
    Diese Interpretation gefällt mir jedenfalls ausgesprochen gut ^^

    Danke für den coolen Text!

  7. Beiträge anzeigen #147 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    El Toro ist offline
    Ganz offiziell meinen Dank an Ronsen und John fürs Lesen und kommentieren. Das ist natürlich ein willkommenes Geburtstagsgeschenk!
    Und Ronsen hat ja auch ganz recht damit, dass sich da zwei getrennte Handlungen abspielen, unsere Realität (unter der Prämisse, dass wir mit Marvin die komatöse Vrazka als Randfigur unseres eigenen Abenteuers erleben) und die Welt in Vrazka, die ihr eigenes Archolos mitgebracht hatte und das mit ihrem Verfall auch verfällt, weil sie ja tatsächlich eine Art kosmische Mutter ist, wie absurd Martha dieser Gedanke auch vorkommen mag. Zugegeben ist das mit der langsameren Erdrotation und dem Verlöschen der Sterne schon sehr hoch gegriffen!
    Auch danke dir, John, für die ganzen schmeichelhaften Horror-Komplimente. Ich weiß noch, wie wir uns mal über den Bodowin-Charakter unterhalten haben, und du die Quest um die kranken Scavenger auf eine andere Weise gelöst hattest, so dass du nicht bis zum Boden des Bodowin-Fasses gelangt warst - vielleicht besser so, denn im Grunde hat mich diese Wendung im Spiel ja innerlich gebrochen und mir erst die Idee für diese pervertierte Dankbarkeitsgeschichte verschafft: Vielleicht nimmt die sterbende Vrazka das in ihrem Zustand wahr, während die Welt, die sie in sich trägt, ihr wirklich dankt, ohne dass ihre Bewohner das einordnen können.
    Und um Marvin in Schutz zu nehmen: Er geht ja immer davon aus, dass die Menschen einander Gutes wollen, und natürlich glaubt er auch, dass Bodowin Vrazka behandelt, im Sinne von zu kurieren versucht, genauso wie er glaubt, dass Bodowin Jorn helfen will oder wirklich nur eine Assistentin für Laborarbeiten sucht.
    Dank euch fürs aufmerksame Lesen.

  8. Beiträge anzeigen #148 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
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    John Irenicus: Ace Attorney – Fall #001: Osters Eier“ von Lady Xrystal ist für mich rein von der Aufmachung her schon die spektakulärste Wichtelgeschichte in diesem Jahr – und dann ist sie auch noch mir gewidmet!

    Ich hatte es in der Taverne ja schon gesagt, dass ich beim Anblick der ersten Seiten und der sich daraus speisenden Erkenntnis, in welche Richtung das geht, total begeistert war – und das hat sich bei der eigentlichen Lektüre dann nur fortgesetzt!

    Ich bin ja – pflichtgemäß – ein ziemlicher Freund der Ace-Attorney-Serie samt SpinOffs, und dass nun ich bzw. mein Alter Ego (oder besser gesagt, meine Alter Egi, oder was auch immer die Mehrzahl davon wäre ) im Mittelpunkt der ganzen Verschrobenheit und Quirkyness zwischen Einspruchsrufen, „Nimm das!“-Momenten und Meltdowns der befragten im Zeugenstand steht, begeistert mich natürlich umso mehr!

    Das Schöne ist ja, dass sich die Geschichte aufgrund dieser bekannten, typischen Merkmale der Ace-Attorney-Spiele bei mir im Kopf eben wirklich sofort als betreffende Spielszenen abgespielt haben, ohne, dass es da viel Beschreibung drumherum bedurft hätte. Insofern ist die Darreichungsform der Geschichte – Dialogtexte mit ein paar begleitenden Erzähltexten und Bildern – wirklich optimal. Den Rest hat mein Gehirn ergänzt – ohne, dass es erwähnt worden ist, stand der Händler Oster (Das eher flache „Ostereier“-Wortspiel hat mich peinlicherweise ja übrigens auch so richtig begeistern können ) zum Beispiel vor meinem inneren Auge mit Bauchladen im Zeugenstand (der für ihn ja eigentlich der „Anklagestand“ wäre) und kramte während seiner Aussage darin herum.

    Ich mochte es auch, dass zuweilen die vierte Wand, oder besser gesagt, die Illusion eines wahren Geschehens durchbrochen wurde: So albern das auch war, beim Erwähnen der hektischen und dramatischen Musik musste ich jedes Mal innerlich kichern, weil ich das bei den Ace-Attorney-Spielen halt auch weniger als tatsächlichen Atmosphärebringer, sondern wirklich eher als eine Art witziges Meme oder wahlweise auch Anzeiger, ob man jetzt gerade den richtigen Beweis ausgewählt hat, empfinde.

    Der eigentliche Kriminalfall ist hier natürlich eher nur der Aufhänger zum Zelebrieren der wunderbaren Ace-Attorney-Eigenheiten und bleibt daher eher übersichtlich. Das hätte ich mir bei so manchem Fall aus dem Spiel, jedenfalls bei den späteren Spielen, übrigens auch so gewünscht. Die ganz grundsätzliche ostermäßige Idee, dass der Händler hier bloß buntgeputzte Scavengereier verkauft hat und darüber gegen ihn ein schrecklicher Verdacht konstruiert wird, gefällt mir aber ganz gut, ebenso, wie der wahre Hintergrund des Ganzen, auch ganze Ace-Attorney-mäßig, nach einigem Hin und Her nach und nach enthüllt wird.

    Ob und wie realistisch es nun ist, dass Canthar und Constantino direkt so einen teuflischen Plan aushecken, kann natürlich dahingestellt bleiben: Die Motivation Canthars ist sicherlich noch nachvollziehbarer und passt auch hervorragend zu seinem Charakter aus dem Spiel; Constantinos Mitwirkungswille bei dem Ganzen ist dagegen eher schwächer begründet. Indes ist auch das ja ein Gebot aus den Ace-Attorney-Spielen, das man auf das Lesen dieser Geschichte übertragen sollte: Jeden einzelnen Handlungsaspekt bis ins Letzte zu hinterfragen mag zwar dazu dienen, sich selbst beim Aufdecken sogenannter Logiklücken sehr klug fühlen zu können, aber am besten fährt man ja doch, wenn man die Handlung einfach als eine mehr oder weniger geschickt angeordnete Reihe von Twists und Skurrilitäten genießt – und genau so war es hier eben auch!

    Besonders skurril und herrlich fand ich dabei, dass die Aufdeckung dieses Falls letztlich ja an das hier vorgestellte Pendant einer Art Kassenbon-Pflicht anknüpft: Nicht nur ist die Ausstellung von Kaufbelegen in der hier präsentierten Variante von Khorinis verpflichtend, sondern dieser Kaufbeleg wird nach Einreichung bei der Stadtverwaltung dann auch noch ordnungsgemäß verzeichnet! Und so sehr man sich darüber lustig machen kann: Dieser furchtbar bürokratische Akt hat hier ja letztlich dafür gesorgt, dass kein Unschuldiger verurteilt wurde. Insofern ist das hier ja mal ein ganz klares Plädoyer für die Bonpflicht!

    Auch wenn der Weg zum Schluss der Geschichte und des Gerichtsfalls natürlich ein wenig rushed ist, hat mir das Ende dann auch noch sehr gut gefallen, zumal es ja mit einem echten Cliffhanger aufwartet. Denn es bleibt am Ende ja offen, was für eine Art Ei Oster dort nun hervorzieht: Sein linkes oder sein rechtes?

    Vielen Dank also für diese witzige, kurzweilige und wirklich richtig toll präsentierte Geschichte.
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  9. Beiträge anzeigen #149 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
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    Die Wichtelgeschichte mit dem programmatischen Titel „Kristallfeder“, aus möglicherweise selbiger Feder von DerGroßeDummeMann, geschrieben für Lady Xrystal, ist momentan zwar noch eher im Stadium eines Trailers, macht aber schon jetzt Lust auf mehr (was auch daran liegt, dass dieser Trailer im Gegensatz zu den Kinotrailern der letzten Zeit ohne dieses generische „Oppenheimer“-Dröhnen sowie abgehalfterter und remixter 70er-Jahre-Rocksongs im Hintergrund auskommt )!

    Die Ausgangsidee, dass ausgerechnet der eigene Chef ein beliebter Podcaster ist, auf den die eigenen Familienmitglieder so abfahren, dass man auch noch in der eigenen Freizeit mit der Stimme des Chefs beschallt wird, ist ja wirklich lustig und gruselig zugleich. Da hätte ich ja nun auch wirklich so gar keinen Bock drauf, und ich konnte Quirinas Ärger darüber sofort verstehen! Wobei sich mein Ärger, und Quirinas Ärger zu einem guten Teil ja wahrscheinlich auch, vor allem auf den Umstand bezieht, dass die eigene Mutter so rücksichtslos mit dieser speziellen Konstellation umgeht - den Mitmenschen beim Bäcker und Konsorten kann man fürs öffentliche Hören ja weniger einen Vorwurf machen. Indes: Kopfhörer und deren nachgekommene technische Iterationen sind schon eine tolle Erfindung!

    Hiervon ausgehend hat die Story in ihrer jetzigen, noch nicht fertiggestellten Form eher die Gestalt eines Trailers, der Lust auf Mehr macht: Es wird angedeutet, dass Vatras' Stimme Quirina noch mehr verfolgt, als gedacht; zudem könnte die Introsequenz entweder ein Blick in Quirinas Zukunft, oder eine Allegorie (oder wie man sowas bildungsbürgerlich nennt) darauf sein, wie Quirina sich gerade fühlt, die von Arbeit ja geradezu überschwemmt wird.

    Und dann wird sich noch der titelgebende Gegenstand, die Kristallfeder, angeteasert, die offenbar die Fähigkeit besitzt, selbstständig zu schreiben - so mit den Messwerten, an deren Eintragung sich Quirina gar nicht erinnern kann. Und wie das bei so Geschichten halt so ist: Man ahnt, dass die Benutzung dieser Feder möglicherweise nicht so ganz ohne Probleme und Nebenwirkungen bleiben wird!

    In diesem Sinne bin ich sehr gespannt, wie die Geschichte weitergehen und wo sie Quirina in ihrer momentan noch eher wenig beneidenswerten Lebensphase hinführen wird!
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    John Irenicus ist offline
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    Mit großer Freude habe ich „Das Netz des Lebens“ von El Toro gelesen, auch bekannt unter dem informellen Titel „Eine Geschichte, die sich offenbar bewusst wie eine solche aus der Feder von Laido lesen soll, nur dass dieser Eindruck durch Verwendung von Wörtern wie 'Selbstbescheidung', die außer El Toro niemand benutzen wurde, irgendwann doch zerschlägt!“.

    Aber ganz im Ernst: Mit dieser für DerGroßeDummeMann geschriebenen Wichtelgeschichte betritt El Toro neues Terrain auf ihrer Story-Forum-Karriere, denn bei diesem Werk handelt es sich ja um eine recht klassisch gehaltene Science-Fiction-Kurzgeschichte, die man hier – jedenfalls aus El Toros Feder – so auch noch nicht gelesen hat!

    Ich finde nämlich, hier sind viele Zutaten enthalten, die zu einer Kurzgeschichte dieser Art gehören und die ich an dieser Art von Geschichten so mag:

    - Das Ganze spielt in einem eher (post-)apokalyptischen, zivilisationsfeindlichen Szenario

    - Der Kapitalismus hat sich wieder einmal als anpassungsfähigstes aller Systeme erwiesen und beherrscht auch dieses Endzeitszenario hier (Stichwort Boni und Firmeneigentum)

    - Jedenfalls ein großer Teil der handelnden Personen ist charakterlich deformiert, empathie- und gefühlsarm

    - Offensichtlich krankhafte Zustände werden toleriert und notfalls zur neuen Norm erhoben (Bella sieht sich und die ihren als quasi-Götter an, obwohl sie – und nicht etwa der Wolf – in einer relativ erbärmlichen evolutionären Sackgasse stecken)

    - Zu Tage tretendes Spannungsverhältnis zwischen „Naturzustand“ und Verformung von Mensch und Umwelt durch Technik (insb. Augmentierungen, welche die Menschen – aus unserer Sicht – eher grässlich erscheinen lassen)


    … und diese hier rein willkürlich ausgedachte Liste könnte man wohl noch um einige Punkte ergänzen! So zum Beispiel um die Erzählweise, die ich bei Geschichten dieser Art auch sehr mag, nämlich, dass bestimmte „Merkwürdigkeiten“, auf die man zu Anfang der Geschichte stößt, dann nach und nach erklärt werden. Hier sind es die ganzen technischen Augmentationen an den verbliebenen Menschen, namentlich NeoGuts, die schließlich erklären, warum die Damen und Herren taktischen Verteidiger so fahrlässig mit ihrem eigentlichen körperlichen Zustand umgehen und – ja fast schon ein wenig social commentary – vor allem Müll in sich reinfressen. Diesen Weg von „Also, irgendwas ist hier doch komisch“ zu „Ach, daran liegt das also!“, den ich schon bei der Lektüre von so vielen Science-Fiction-Storys mitgegangen bin, den gehe ich auch jedes Mal gerne wieder, weil ich da echt nicht genug von bekommen kann!

    Zusammenfassend könnte ich also bereits hier sagen: Die Geschichte hat genau meinen Geschmack getroffen, und das, obwohl ich hier ja nicht einmal der Bewichtelte war!

    Was mir außerdem aufgefallen ist und gefallen hat, ist die gerade zu Anfang verwendete, sehr bildhafte und poetische Sprache:

    Das Minental lag uns wie eine Narbe auf dem Fleisch der Erde. Das Licht der Grubenroboter klammerte sich an den zerklüfteten Gipfeln fest. Unter uns erstreckte sich ein Labyrinth aus stillgelegten Minenschächten und Tunneln. Die Dunkelheit darin war undurchdringlich.
    Früher hatte es hier noch Bäume gegeben, hatte Rascall gesagt, aber auch die hatten es wohl irgendwann aufgegeben, sich gegen die KhorMine zu stemmen. Die Erde war rissig, als hätte sie geweint und sei dann ausgetrocknet. Hier und da ragten verrostete Gerüste aus dem Boden, Schlacke, Abraum überall. Nichts regte sich, und die einzige Bewegung war die langsame Erosion der Zeit. Hier und da glommen Adern des magischen Erzes wie die Glut eines sterbenden Feuers.
    Jeder Satz ein Treffer, wirklich!


    Der Osterbezug der Geschichte dagegen scheint mir dagegen auf dieser bildhaften Beschreibungsebene eher ein wenig hineingezwungen zu sein:

    Ich geleitete Abujin aus dem Gedränge der Crawler . Eingebettet in die Rundung seines
    Hinterkopfs, wie farbenfrohe Eier in einem Nest, blinkte ein ganzes Bündel von
    Speichermodulen, Datenleitungen direkt ins Gehirn, und das ohne Splitterschutz.
    Nunja.


    Aber wer weiß, vielleicht ist das ja gar nicht der einzige österliche Bezug in dieser Geschichte, denn bei einer theologisch gebildeten Autorin muss man ja damit rechnen, dass die gesamte Geschichte für Bezügen und Anspielungen auf die christliche Osterthematik nur so strotzt – was am theologisch ungebildeten Leser dann im Zweifel aber leider vorbeigeht!

    Das hindert mich aber natürlich nicht daran, mich an der Handlung rund um den Wolf, der sich gewissermaßen als letztes, „echtes“ Leben in dieser (irgendwie unfruchtbar anmutenden) Welt aus Technik, Schlacke und augmentierten Menschen darstellt, zu erfreuen!

    Auffällig ist dabei, wie sehr die Faszination der hier handelnden Menschen um die Verletzlichkeit und Sterblichkeit des eingefangenen Wolfes kreist. Das kulminiert dann ja in diesem scheußlichen Selbstversuch, bei dem sich Bella willentlich – wenn auch nur auf Zeit – verstümmeln lässt, um auch einmal eine ähnliche Situation der Hilflosigkeit zu erleben. Freizeitintellektuelle auf X vormals Twitter haben damals zu diesem Unglück mit diesem U-Boot auf dem Weg zum Titanic-Wrack ja teilweise gemutmaßt, dass die im Boot sitzenden Millionäre sich unterschwellig einfach mal nach einer Situation gesehnt haben, aus der sie sich ausnahmsweise nicht mit Geld herauskaufen können. Ein bisschen ähnlich scheint es hier in dieser Geschichte wohl Bella zu gehen: Aufgrund ihrer semi-Unsterblichkeit, jedenfalls quasi-Unverletzlichkeit scheint ihr wohl ein gewisser Thrill im Leben zu fehlen, um den sie den Wolf insgeheim beneidet und den sie selber auch mal ein wenig erleben will.

    Während Bella – nicht nur in dieser Hinsicht – als unsympathischer Pol der Charaktergruppe ausgestaltet ist, gibt es hierzu auch Gegenpole, namentlich den Biologen alter Sorte, Abujin, und den hier eher aus einer Beobachterposition erzählende Protagonisten. Was mir aber gefällt, ist, dass auch diese beiden – ebenso wie der durchaus tierinteressierte Rascall – den Wolf letzten Endes auch nicht als Lebewesen mit eigener Würde und eigenem Wert begreifen zu scheinen, sondern eher als interessantes Forschungsobjekt bzw. lebendiges Kuscheltier bzw. Spielzeug zum Zeitvertreib.

    Das wird bei Rascall relativ klar und auch nicht ganz so überraschend deutlich, weil er – gar nicht mal so weit entfernt von so manchem echten Haustierbesitzer – die Lust an dem anderen Lebewesen verliert, sobald sich der Spaß daran totgelaufen und die Haltung irgendwie anstrengend oder zu teuer geworden ist.

    Bei Abujin läuft das vielleicht eher subtiler bzw. ist nicht ganz so vorhersehbar: Er steht zu Anfang seiner Personenvorstellung ja noch sehr klar für die „gute alte Welt“, hat ernsthaftes Interesse an dem Wolf und tritt auch in offene, für ihn als Wissenschaftlertyp geradezu kämpferische Opposition zu Bella. Andererseits war aber auch die „gute alte Welt“ – die ja unsere reale Jetztwelt ist – eben nicht immer gut, und so pflegt Abujin am Ende auch ein eher pragmatisches Verhältnis zu den tierischen Mitlebewesen: Ja gut, kochen können Sie den natürlich auch, probieren Sie es doch einfach mal aus!

    Die echteste, realste und unverstellteste Beziehung zum Wolf baut dann letztlich wohl der Protagonist auf. Die Wolfkuschelszene jedenfalls beeindruckt in dieser Hinsicht nicht nur mich als Leser, sondern auch den Protagonisten selbst, und das so sehr, dass er dem gekochten Caninen am Ende sogar ein paar Tränen nachweint. Indes: Man kann das bei pessimistischer Sichtweise auch als Weinen von Krokodilstränen ansehen. Denn erstens hätte der Protagonist ja sicherlich eine Art – und sei es nur finanzielles – Machtwort sprechen können, um den Wolf zu retten. Hätte er dessen Unterhalt samt Fütterung etc. übernommen, dann wäre der Wolf wohl nicht gegessen worden. Sein Protest gegen die Wolfsverspeisung bleibt aber nur sehr sachte, und letztlich waren die Immersionsbrillen dann eben doch das wichtigere Spielzeug. Zweitens hat der Protagonist keine offensichtlichen Probleme, an des Wolfs letztem Abendmahl – bei dem er selbst die Speise ist – teilzuhaben. Drittens ist das Vermissen am Ende nur sehr zurückhaltend artikuliert.

    Allerdings muss man beim dritten Punkt sicherlich auch Einschränkungen machen: Einerseits kann das erzählerisch gerade so gewählt sein, um eine größere Wirkung zu erzielen. Denn je mehr man als Schreiber darüber fabuliert, wie groß, packend, riesig, wie „sehr“ und „viel“ und „ganz doll“ etwas ist, desto mehr kann das beim Leser als hilflose Argumentation zur Überzeugung von Emotionen, welche die Erzählung als solche nicht hergäbe, ankommen. Mit anderen Worten: Gerade diese sehr einfache, nicht mit Verstärkungen und Superlativen aufgebauschte Schilderung trifft einen umso stärker in der Magengrube. Und andererseits ist das reduzierte Gefühlserleben beim Protagonisten gerade die Folge dieser allgemeinen Gefühlskälte und -armut der Menschen, die sich hier durch die gesamte Erzählung zieht. Der Wolf spricht durchaus alle hier vertretenen Charaktere irgendwo und mehr oder weniger auf einer Gefühlsebene an, die den Menschen mittlerweile eher fremd zu sein scheint, und die einen freuen sich darüber, und die anderen – so z. B. Bella – scheinen das eher zu fürchten. Aber letztlich ist diese Gefühlsansprache bei keinem der Menschen stark genug, um sich für das (Über)Leben des Wolfes einzusetzen.

    Von daher zieht der letzte Absatz dieser Geschichte ein düsteres, aber treffendes Fazit: Selbst ein relativ tierlieber Mensch – wie der Protagonist hier wohl doch einer ist – ist bereit, dem geliebten Tier relativ schnell und ohne besondere Notwendigkeit, d. h. einfach aus einer Laune oder Gleichgültigkeit heraus, das Leben und den Eigenwert abzusprechen bzw. ihm sogar aktiv zu nehmen.

    Und wie es bei einer guten Science-Fiction-Geschichte eben so ist: Die Übertragung des unserer eigenen Welt und Gegenwart vermeintlich enthobenen Geschehens auf unsere Verhältnisse drängt sich hier wie auch an anderen Stellen der Geschichte geradezu auf. So formuliert § 1 unseres Tierschutzgesetzes einen scheinbar eisernen Grundsatz gelebter Tierethik: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Die Wahrheit ist denn aber auch: Vernünftig genug ist bereits, das Tier aus Lust und Laune schlachten, kochen und dann essen zu wollen oder auch das Gekochte danach schlicht wegzuschmeißen.

    Aber gut, der Kommentar driftet jetzt sehr in eine Richtung ab, die suggeriert, dass die Geschichte eine solche über (mangelnde) Tierethik sein soll, aber das ist ja wenn überhaupt nur ein Teil dessen, worum es beim Netz des Lebens geht. Hier geht es offenbar auch um Themen wie „Ohne Du kann es kein Ich“ geben und solche Dinge, die mir aber bekanntermaßen eh zu hoch sind! Dass hier gerade im Wolf ein solches „Du“ erblickt wird, illustriert dann eigentlich auch nur, dass, trotz gewisser Gefühlsreize und -impulse, die hier beschriebenen Menschen (innerlich) genau so tot sind wie der junge Herr von Laran jetzt, nur, dass dieser halt einen echten, herkömmlichen Tod gestorben ist, und das mit einer Begründung, die durch die Handlung dieser Geschichte wohl unterfütter wird.

    So oder so: Mir hat diese Geschichte gut gefallen, weil sie einerseits so grimmig und düster daherkommt, andererseits Raum für Gefühlsaufwallung lässt – die dann aber doch wieder unter schlackenhaftiger Lebensfeindlichkeit begraben wird. Und ich finde, dass das Ende einen bitteren Geschmack der Hoffnungslosigkeit hinterlässt, denn obwohl im Protagonisten immerhin eine gewisse Gefühlsspur hinsichtlich des Vermissens des Wolfes gesät worden ist, so wird diese Saat ja wohl doch ohne Ernte bleiben – in so einer lebensfeindlichen ja kein Wunder! Und das gefällt mir eigentlich auch ganz gut so, weil es den ganzen Schilderungen dann doch ein wenig mehr Gewicht verleiht als ein „Der Wolf schleckt glücklich das Gesicht des Protagonisten ab“-Ende.

    Und für so effekthascherisch man das auch halten mag: Bei jeder noch so kleinen körperlichen Verletzungen, die sich die Menschen hier selbst und gegenseitig, absichtlich und unabsichtlich hinzufügen, musste ich beim Lesen immer wieder aufs Neue zusammenzucken, so grauselig und scheußlich fand ich das stellenweise.


    Tippfehler, die ich gefunden habe:
    "Warte!" rief Bella panisch, aber Rascall beschleunigte auf seinen Lauf nur noch mehr.
    Bellas machte einen vage Bewegung über den Horizont.
    Der Wolf schwang an Rascalls tätowiertem Arm und dabei legte Muskeln und Sehnen frei.
    Ich geleitete Abujin aus dem Gedränge der Crawler . Eingebettet
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  11. Beiträge anzeigen #151 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    Bunte Eier“, die Wichtelgeschichte für Laido aus der Feder von Ajnif ist wohl die erste Geschichte, die einen mehr oder weniger waschechten Hahnenkampf völlig zwanglos mit den ganz großen menschlichen Emotionen verknüpft, könnte man sagen.

    Wie in der Taverne ja schon angemerkt wurde, geht Tilda echt schonungslos mit El ("L"?) um. Ob Aggression gegen Liebeskummer wirklich hilft? Der Wunsch Tildas, El irgendwie wachzurütteln, ist angesichts der Zustände rund um El aber absolut nachvollziehbar! Und immerhin gibt's ja eine Art Beauty-Kur frei Haus obendrauf.

    Beim Wechselspiel zwischen der passiven El und der aktiven Tilda war lange nicht klar, worauf die Geschichte eigentlich zusteuert oder worum es eigentlich noch gehen könnte. Oder, anders gesagt und auf den Punkt gebracht: Den Hahnenkampf hatte ich so nicht erwartet, und ich fand sogar die vorherige Andeutung, Thorben könnte an einem Boxkampf teilnehmen, ja schon überraschend genug.

    Ich war dann aber schon froh, dass "Bunte Eier" und "Fröhliches Eierfärben" sich doch nicht, wie zwischendrin befürchtet, darauf bezieht, dass sich die Kontrahenten dieses Spektakels gegenseitig die Hoden grün und blau oder gar blutig treten.

    Der Mann, der auszieht in die Welt, sein Gedächtnis verliert und seine Liebste zu Hause nicht mehr erkennt, das scheint mir jedenfalls auch so eine Art fester literarischer Topos zu sein, oder wie man das unter Bildungsbürgern so nennt! So jedenfalls läuft es dann auch beim namenlosen Färber.

    Entgegen all der Unkenrufe, dass es sich um ein unfassbar kitschiges Ende handelt, finde ich es sogar recht plausibel: Auf Verstandesebene mag der namenlose Färber als die namenlose Liebschaft zwar nicht mehr wissen, wer El ist, aber auf Gefühlsebene scheint er ja zu spüren, dass diese vermeintlich unbekannte Frau vor ihm in einer besonderen Beziehung zu ihm steht. Vielleicht ein bisschen ähnlich wie bei manchen Demenzkranken, die sich zwar nicht mehr an die Namen von Ehepartner, Kindern und Enkel erinnern, wohl aber deren soziale Rolle und Beziehung zu sich selbst einordnen können.

    Es könnte aber natürlich auch einfach sein, dass der Namenlose schlicht ein ganz neues Interesse an der Frau vor ihm gefunden hat, ohne, dass da noch Gefühlsreste in ihm drin wären. Dann wäre es die große Frage, ob das Zusammentreffen zwischen den beiden wieder zwangsläufig zu einer Liebesbeziehung führen wird, die Liebe zwischen den beiden also quasi determiniert ist, oder ob sich das Ganze auch ganz anders bzw. gar nicht entwickeln kann.

    Als dritte Variante gibt es natürlich die ganz und gar unromantische Interpretation, die bestimmt auch wieder auf die Ursprünge des oben genannten Topos des ausziehenden Helden zurückführt. Denn dies alles könnte ja auch schlichtweg die romantische Verklärung von Männern sein, die in völliger Rücksichtlosigkeit ihre Liebste zu Hause sitzen lassen und sich sonstwo vergnügen, und dann bei zufälligem Wiedersehen entweder einfach nur so tun, als hätten sie ihre Erinnerung verloren, oder dies aber in völliger Ignoranz sogar wirklich getan haben! Indes: Angesichts des äußerlichen körperlichen Zustandes des namenlosen Färbers hatte dieser bei seinem Langzeittrip wohl eher keine so gute Zeit ...

    Somit entlässt einen diese Geschichte volle Gefühl mit viel Stoff für eigene Spekulationen, und das ist, neben dem bizarr-komischen Hahnenkampf+Eierfärben-Ritual, die wohl größte Stärke dieser Geschichte.
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  12. Beiträge anzeigen #152 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    Hätte ich nach dem ersten Satz von „Das rote Ei“ schon tippen müssen, von wem die Wichtelgeschichte für El Toro stammt, dann hätte ich wohl da schon auf Laidoridas getippt, und der Rest der Geschichte gab dieser Vermutung dann auch schnell Recht. So gesehen hätte die Geschichte natürlich auch sehr gut von El Toro selbst kommen können (die gewissen Ähnlichkeiten im Schreibstil zwischen Laido und El Toro haben sich in der Vergangenheit ja immer wieder gezeigt), und das ist ja auch eines der schönsten Komplimente, das man einer Wichtelgeschichte machen kann, finde ich: Dass sie so sehr zum Beschenkten passt, dass sie auch aus dessen Feder stammen könnte!

    So unterliegt auch diese Geschichte hier einer gewissen Zutatenliste, die geradewegs aus dem Vorratsschrank von El Toro zusammengestellt sein könnte: Die Protagonisten sind unkontrolliert agierende Kinder/Jugendliche, es geht um Ängste und Beklemmungen, es geht um Geräusche, es geht um Horror und Grusel. Und: Es geht um Archolos! Wenn Laido hier nun extra zum Verfassen dieser Geschichte angefangen hat, Archolos zu spielen, dann war das in doppelter Hinsicht eine absolut gute Entscheidung!

    Die bloßen Eckdaten sagen aber natürlich nicht immer etwas über eine Geschichte aus; auch an sich gut ausgewählte Zutaten können zu einem unliebsamen Brei verkocht werden. Dass dies hier nicht geschehen ist, dürfte aber auch klar sein, vielmehr hat mir die Geschichte wirklich gut geschmeckt, und vor allem ist sie von Anfang bis Ende keine einzige Sekunde lang langweilig.

    So gesehen ist die Geschichte eine einzige, schlimme Geisterbahnfahrt – schlimm für den Protagonisten, nicht für den Leser! Was zunächst als dem äußeren Anschein nach harmlose „Taschenlampe unter das Gesicht halten“-Gruselgeschichte aus dem Mund der größeren, etwas genervten und geschwisterlich piesackenden Tara (Vokale geschickt ausgetauscht) beginnt, entwickelt sich – in der groben Richtung ja erwartungsgemäß, da für eine Geschichte dieser Art beinahe unvermeidbar – in ein absolutes Horrorszenario. Das hat mir sehr gut gefallen, wie die Geschichte Eskalationsstufe um Eskalationsstufe betritt, bis am Ende sogar die schlimmsten Ängste des Protagonisten noch um ein Vielfaches übertroffen werden – und übrig bleibt die altbekannte Frage, ob alles, was der Protagonist am Ende erlebt hat, denn auch wirklich so geschehen ist.

    Diesem erzählerischen Grundgerüst ist die Spannung natürlich inhärent, aber es kommt natürlich trotzdem darauf an, wie dieser Fahrplan mit Leben gefüllt wird. Und hier hat mir insbesondere gefallen, dass das fortlaufende Grauen, die Ängste, die Verluste und das dauerhafte Gefahrengefühl hier – neben den sehr bildhaften, eindringlichen Beschreibungen – den größten Raum in der Geschichte eingenommen hat. Andere Aspekte, die zuweilen in Laido-Geschichten vorkommen, wie zum Beispiel eine sozialphobisch angehauchte awkwardness, das Heraufziehen einer Katastrophe durch Enthüllung irgendeines Geheimnisses des Protagonisten oder auch der typische Humor, die bleiben hier im Hintergrund und blitzen allenfalls vereinzelt mal auf (wie der Protagonist den Plan seiner Schwester mit allen möglichen „Abers“ zu torpedieren versucht, das war zum Beispiel sehr witzig, aber eben auch sehr nachvollziehbar).

    Gut gefallen hat mir auch die Darstellung der älteren Schwester. Gerade zu Anfang wirkt sie ja nicht nur klischeehaft genervt, sondern scheint bei Erzählung der Rote-Eier-Geschichte ja geradezu eine sadistische Ader auszuleben. Zusammen mit ihrer abenteurerinnenhaftigen Ader lässt sie das schon ziemlich rücksichtlos, nicht nur gegenüber den Gesetzen der Stadt oder den elterlichen Wünschen, sondern eben auch gegenüber ihrem Bruder wirken. Dass sie ihren Bruder in so etwas Gefährliches hineinzieht – wenn auch der größte Teil der Gefahr und des Grauens ganz sicher nicht von ihr vorausgesehen und gewollt war –, ist mit dem „unverantwortlich“ wahrscheinlich auch nur unzureichend beschrieben. Ich selber habe ja keine Geschwister, weder ältere noch jüngere, aber zumindest teilweise hat mein älterer Cousin tageweise die Rolle eines älteren Bruders eingenommen, und daher konnte ich mich sehr gut in die Gefühle des Protagonisten hineinfühlen, wie er ganz klar erkennt, dass das, was hier gemacht wird, viel zu gefährlich ist, es aber andererseits auch kein Zurück geben kann, zumal man dann möglicherweise alleine zurückgelassen wird. Und letzteres betrifft beim Protagonisten das Weitererzählen der Geschichte wie auch das Heraufklettern auf die Stadtmauer und das Herunterklettern bzw. -fallen in den Wald gleichermaßen! Das ist es glaube ich auch, was mir an der Geschichte am meisten gefallen hat: Nicht bloß der mal unterschwellige und der mal offensichtliche Horror, sondern das von Anfang bis Ende schwelende Gefühl der Gefahr, angefangen von der Gefahr, durch das Lauschen der schwesterlichen Geschichte Albträume zu erleiden bis hin zur Gefahr, im Wald von hunderten Scavengern zerhackt zu werden.

    Schön finde ich außerdem, dass die Geschichte nicht stets bei einem lauernden „hätte, wäre, könnte“ stehenbleibt, sondern dass jedenfalls der Leichenfund durch die beiden Kinder ein echtes, reales Ereignis ist, was den beiden so wirklich nicht hätte geschehen dürfen und was einen tatsächlichen Kontakt mit einer Art Schaden darstellt – die beim Klettern bzw. Fallen zugefügte Wunde am Bein des Protagonisten wirkt dagegen ja nur halb so schlimm.

    Sehr effektvoll an der ein oder anderen Stelle fand ich dabei die sensiblen Antennen des Protagonisten, wann es seine Schwester selber und ganz ernsthaft mit der Angst zu tun bekommt oder wann sie sich, so im Fall des Leichenfundes, dazu bemüßigt fühlt, nun doch ganz ernsthaft Verantwortung für ihren kleinen Bruder zu übernehmen und sich schützend vor ihn zu stellen. Bei jeder dieser kleinen Stellen konnte ich mich sehr gut darin hineinfühlen, was der Protagonist hier gedacht und gefühlt hat: Oh nein, wenn selbst sie jetzt Angst hat … !“.

    Die an sich ja vergleichsweise harmlose und glimpfliche Verletzung des Protagonisten beim Klettern ist dann ja quasi Sprungbrett für die Erlebnisse, die der Protagonist nach seinem Sturz im Wald hat. Oder vielleicht auch nicht! Denn ganz klassisch Gruselgeschichte bleibt hier unklar, wie viel Wahres an den Scavengereiern und dem Scavengermann dran ist. Das beginnt für mich schon dabei, ob sich Tara ihre Geschichte über die roten Scavengereier wirklich, wie sie am Ende bemüht zu versichern, ausgedacht hat oder ob sie dies nicht nur auf väterlichen Geheiß so korrigierend erzählt hat. Denn ob ihre Beteuerungen zu Beginn der Geschichte, dass es sich hierbei um eine wahre, weitergegebene Geschichte handelt, tatsächlich nur Effekthascherei waren, ist so sicher ja nicht, auch wenn das den Anschein hat. Eine besonders gruselige Variante wäre natürlich die, dass sich Tara diese Geschichte tatsächlich von Grund auf ausgedacht hat, die Geschichte dann aber aus irgendeinem Grunde doch wahr ist. Gegen diese letztere Variante spricht dabei entscheidend, dass es – zumindest aus der Außensicht des Protagonist – keinen nachhaltigen Grusel bei der Schwester gegeben hat, die mit dem Geschehen anscheinend abgeschlossen hat. Indes scheint sie ihrer Persönlichkeit nach ja aber auch ganz generell deutlich weniger sensibel als ihr kleiner Bruder aufgestellt zu sein und verpackt solche Dinge dem äußeren Anschein nach einfacher und schneller.

    Auf dieser Unsicherheit aufbauend stellt sich dann die Frage, was vom Geschehen rund um die Scavengerversammlung im Wald und dem eierlegenden Scavengermann wirklich so geschehen wird. Und ja: Bei nüchternem Blick ist es ziemlich eindeutig, dass das hier die verletzungsbedingte Ausgeburt einer übersteigerten Kinderfantasie war, da hätte es die Zusatzerklärung rund vom Bodowins zusammengepanschten Heiltrank eigentlich kaum noch gebraucht. Indes: Gerade diese vom Vater fast schon aus dem Hut gezauberte und im Gespräch mehrfach betonte Erklärung für das, was der Protagonist gesehen hat, ist dann doch wieder ein schöner Anlass dafür, um daran zu zweifeln, dass das alles einfach nur eine ohnmachtsbedingte Wahnfantasie war! Denn: Wenn der Trank wegen seiner Nebenwirkungen eigentlich nicht vernünftig als Heiltrank verwendbar ist – warum bewahrt der Vater ihn dann noch auf? Dass er ihn eigentlich längst hätte wegkippen sollen, ist dann ja quasi auch er von ihm selbst ausgesprochene Offenbarungseid, dass es im Rahmen der von ihm präsentierten Geschichte ja nun wirklich keinen Grund mehr gegeben hätte, das gefährliche Gebräu aufzubewahren. Und: Seltsamerweise hat man die eigentlich ja doch sehr nahe an der Stadt befindliche, gut zu entdeckende Leiche des Enthaupteten nie gefunden, und das ist ja zumindest einmal Beleg dafür, dass zwischendrin irgendetwas mit ihr passiert sein muss! Und so entlässt einen die Geschichte mit den grundsätzlich ja sehr wohligem Grusel Marke „Was, wenn die Geschichte doch wahr ist?“

    Den eigentlichen, abschließenden Hieb in die Magengrube versetzt die Geschichte aber mit der Erkenntnis, das es völlig egal ist, ob das vom Protagonisten Erlebte so passiert ist oder nicht, weil es ihm so oder so geschadet hat. Wie sehr ihm das geschadet hat und wie viel er darunter leidet, das wird – wirkungsvollerweise – in Worten nur angedeutet. Die Schlüsselpassage ist für mich in der Hinsicht der Schluss des vorletzten Absatzes der Geschichte; „[…] und diese eine lange Frühjahrsnacht ist für alle Menschen in Vergessenheit geraten. Für alle außer mich“. Man merkt ja, wie verzweifelt der Protagonist darüber ist, dass für alle anderen jetzt irgendwie alles klar ist, dass seine Schwester seine Gesprächsversuche mehr und mehr abblockt und er auch sonst irgendwie niemanden hat, der ihm die Last dieser Geschichte abnehmen könnte. Da ist es nur folgerichtig, dass der Protagonist, nunmehr Bewohner des Minentals, noch immer nicht mit der Sache abgeschlossen hat und geradezu zwanghaft nach dem sucht, wovor er sich doch eigentlich so sehr fürchtet: Das rote Ei. Und das ist doch mal wirklich ein toller Abschluss einer überaus spannenden, gruseligen und mitreißenden Geschichte!
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  13. Beiträge anzeigen #153 Zitieren
    Mythos Avatar von Ajanna
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    Ajanna ist offline
    Sehr tolle Wichtelgeschichten - ich gratuliere den Teilnehmenden. Wobei ich bisher nur fünf Geschichten lesen konnte.

    Die Geschichte des Wolfs hat mich sehr angesprochen - Hammer. Aber auch die ungehorsamen Geschwister, Niklas' einsame Taten und der spektakuläre Gerichtsprozess sind bei mir gut angekommen - letzterer wäre doch auch was für die Goth'sche Zeitung.
    Die Kristallfeder ist ja noch nicht fertig...



  14. Beiträge anzeigen #154 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
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    Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da wird eine Story in diesen hochheiligen Forumshallen im Jahr 2009, das aus heutiger Sicht ja fast noch als Story-Forum-Ursuppe gelten kann, gestartet, in den Folgejahren immer mal wieder weitergeschrieben, im Jahr 2016 sodann vorerst zuletzt fortgesetzt – und dann gibt es aus völlig heiterem Himmel im Jahr 2024 auf einmal einen neuen Post. Wahnsinn! Damit hat Van Gorn sich mit seiner Geschichte „Terror ist Schlecht“ wohl locker auf die Top-5-Rangliste der spektakulärsten Comebacks gesetzt!

    Ich war jedenfalls freudig überrascht, als ich in der Forenübersicht gesehen habe, dass Van Gorn sich mit einem kleinen Beitrag in dieser Geschichte zurückgemeldet hat. Ich weiß nämlich noch, wie fasziniert ich damals von dieser Geschichte war, und selbst ich mit meinem notorisch löcherigen Siebgedächtnis wusste noch, worum es, so ganz grob, in dieser Geschichte ging.

    Natürlich hatte ich die Einzelheiten der Handlungen nicht mehr im Kopf; auch deshalb habe ich die Geschichte natürlich nochmal von Beginn an gelesen. Umso gespannter war ich, ob mir die Geschichte auch aus heutiger Perspektive – fast 15 Jahre nach ihrem Beginn – noch so gut gefallen würde, oder ob mein Wohlwollen beim Aufploppen des Beitrags eher nostalgischer Verklärung geschuldet war.

    Jetzt nach dem erneuten Lesen kann ich aber, mit einiger Zufriedenheit und auch Beruhigung, sagen, dass mich die Geschichte auch heute noch fasziniert, ich sie grundsätzlich gut geschrieben finde und sie irgendwie überhaupt nicht angestaubt, sondern weiterhin frisch und irgendwie „neu“ wirkt.

    Das liegt sicherlich auch am Erzählstil, den man im besten Sinne als „entschlackt“ beschreiben kann. Ausgehend vom Gothic-Setting, dessen Kenntnis vorausgesetzt und in der Geschichte zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise erklärt wird, verzichtet die Erzählung auf jedwede Überfrachtung durch Kontextualisierungen, Hinterfragen persönlicher Motive, innerer Gewissenskämpfe und Beziehungsfragen etc., sondern stellt einfach ihre Handlung in den Vordergrund. Auch die beschreibenden Elemente sind insofern sparsam eingesetzt, als sie bestimmte Personen, Objekte und Begebenheiten hervorheben, ansonsten aber schweigen und uns als Leser eben nicht zum einhunderttausendsten Mal erklären, dass Blätter grün sind und Steine grau. Dadurch können wichtige Objekte – zum Beispiel der Ereb – sehr effektvoll in den Vordergrund gerückt werden, sodass sie sich, wie in einem guten alten Point-and-Click-Adventure, deutlich vom Hintergrund abheben, sodass man sofort merkt: Ah, das ist jetzt etwas ganz Wichtiges (und das ist ja auch gerade die Wirkung, die vom Ereb ausgehen soll!).

    Die Geschichte zieht mich auch deshalb so in den Bann – fast wie der Ereb –, weil sie, die meiste Zeit, eine Art Mystery-Geschichte ist. Vieles ist rätselhaft, vieles bleibt offen, vieles wird nach und nach enthüllt, man hat es mit Mächten zu tun, die so in der Welt noch niemand richtig kennt, es gibt Querverweise in die Vergangenheit … und so sehr sowas auch manchmal Gefahr laufen kann, in völlige Klischees abzudriften (Ein Kuttenträger jagt den anderen – beim ersten Auftreten Thorwalds kam mir das ja schon in den Sinn, wo nun auf einmal ein zweiter mysteriöser Wanderer ins Spiel kommt), so gut ist das hier am Ende doch eingedämmt. Klar, so manches Mal bleiben die Figuren hier doch karikatureske Abziehbilder: Der mystische Orientale gegen den blauäugigen Royalen, der buchversessene Schwarzmagier namens Xardas, die blasiert-aufgeblasenen und leicht dümmlichen Paladine (wobei letzteres zum Teil ja ein gewollter comedic effect ist) … aber das ist sicherlich auch irgendwo der Preis für und ein Zugeständnis an das schnellere Erzähltempo und eine Art von Geschichte, die eben nicht jeden Charakter bis ins letzte durchleuchtet und einen für diesen Zweck mit Text zuschmeißt.

    Zumal es die Geschichte ja trotzdem schafft, die Charaktere mit einer gewissen Tiefe auszugestalten, oder sagen wir mal lieber, sie interessant zu halten.

    Das gilt zum einen natürlich für den namensgebenden Antagonisten: Schlecht. Hier nimmt sich die Geschichte dann nämlich doch einiges an Zeit, bis dessen Herkunft durch Thorwald erklärt wird. Offen bleiben aber immer noch die Motive: Ist es nur das bloße Machtstreben oder doch ein durch den Ereb befohlener religiöser Wahn, der ihn dazu treibt, ganz Khorinis zu unterwandern? Er selbst sagt ja, er sei gekommen, um Khorinis zu retten, und tatsächlich könnte man ihm glauben, dass er das sogar selbst glaubt. Wie weit Schlecht wirklich autonom handelt oder selber einfach nur am meisten vom Bann des Ereb betroffen ist, bleibt noch angenehm offen.

    Abuyin taucht immer nur am Rande auf, quasi als erzählerisches und familiäres Bindeglied zu den Südlanden, damit wir schnell ein Bild davon im Kopf haben, aus was für einer Welt Schlecht stammt. Völlig offen bleibt für mich, wie das Verhältnis der beiden Cousins wirklich zueinander ist. Ab und zu habe ich das Gefühl, Abuyin könnte eingeschüchtert oder gar bedroht von Schlecht sein, dann wieder könnte man meinen, die beiden manchen bewusst gemeinsame Sache. Dass Abuyin unter irgendeinem Bann steht, scheint mir nicht so wirklich der Fall zu sein.

    In dieser Hinsicht besonders interessant ist die Rolle des Vatras: Er scheint, obwohl mit dem Ereb in Berührung gekommen, nicht unter dessen Bann zu stehen, denn ihm geht die Monotonie in Sprechweise und Blick, die bei den anderen Besessenen im Laufe der Geschichte immer deutlicher hervortritt, völlig ab. Gleichzeitig hat er aber bereits eine gewisse „Mein Schatz!“-Mentalität erkennen lassen. So hat er relativ früh von „seinem Würfel“ gesprochen, den Würfel ja überhaupt einfach mal aus der Taverne eingesteckt, und er war auch nicht sehr erfreut, sich wieder von ihm zu trennen. Möglicherweise hat der Ereb nach ihm und seinem Geist gegriffen, er als Adanos-Diener war aber letztlich doch widerstandsfähig genug.

    Das kann man vom Rest der auftretenden Personen wohl nicht behaupten: Der Ereb ist der Wanderpokal, der offenbar fast jeden mit der geistigen Seuche anstecken kann, mögen sich die Personen auch für noch so gefestigt halten – Lord Hagen ist hier das beste Beispiel. Und auch Personen, die in dieser Richtung etwas ahnen – so zum Beispiel Ingmar – können am Ende doch noch ganz unverhofft unter den Bann fallen. Das ist einer der großen Stärken der Geschichte, dass der Ereb und die dahinterstehende Macht somit als etwas sehr Gefährliches, Unkontrollierbares dargestellt wird, vor der niemand sicher ist. Zu jeder Zeit kann einer von „den Guten“ gewissermaßen umfallen und die Seiten wechseln, und im Zweifel bekommen die anderen davon erst einmal gar nichts mit, bis sie selbst angesteckt sind. Das ist ja geradezu pandemisch – und das, wo die Geschichte aus einer Zeit stammt, die näher an der Entdeckung von SARS-CoV-1 liegt als an SARS-CoV-2!

    Wider Erwarten ein besonders interessanter Charakter ist für mich hier übrigens Valentino: Ausgerechnet dieser Dreckssack gerät, wie er ja selber erkennt, in etwas Größeres hinein, macht sich hierbei aber ja doch sehr pflichtbewusst als Späher und Bote verdient und muss dafür sogar beinahe den Tod am Galgen hinnehmen. Tatsächlich habe ich in dieser Geschichte sehr viel Sympathie für Valentino entwickelt, und das war ja nun wirklich nicht abzusehen!

    Wie der Ereb da von Hand zu Hand geht, stellt sich für mich übrigens immer noch eine Frage: Wie genau ist das Verhältnis dieses Würfels zum ursprünglichen Gebilde, dem Thorwald einst auf den Südlichen Inseln begegnete und das das dann schließlich explodiert ist? Im Rückblick war ja die Rede von einem Würfel, der in etwa halb so groß wie ein erwachsener Mann ist. Herumgereicht wird nunmehr eine handliche Version. Ist das quasi ein Splitter vom ursprünglichen Ereb, oder ist der Ereb irgendwie … geschrumpft?

    Die Frage muss aber eigentlich gar nicht beantwortet werden, denn sie trägt ja zum Mystery-Faktor dieser Geschichte bei. Letzterer geht aber zwischendrin leider – und das ist vielleicht so eine Sache, die mir nicht ganz so gut gefallen hat – bei den späteren Posts etwas verloren. Denn die Geschichte hat sich nun ein bisschen mehr in Richtung „Offener Kampf“ entwickelt, zumal im aktuellsten Post, wo nun ja richtig „Front gemacht“ wird – auch wenn die hinterlistige Wirkung des Ereb direkt wieder mit in Spiel gebracht wird. Das Geschehen rund um die geplante Erhängung mutierte mit Thorwalds Auftritt aber kurzzeitig eher zu einem 80er-Jahre-Action-Movie, wie er sich da offenbar barfäustig durch seine Widersacher prügelt, wobei ich mich auch gefragt habe, warum er eigentlich keine normalen Waffen hierfür verwendet. Nichtsdestotrotz war diese Szene, die eine erste offene Eskalation und ein erstmaliges offenes Zurschautragen des Machtsanspruchs Schlechts beinhaltete, sicherlich spektakulär.

    Ich habe jetzt viel über die Geschichte geschrieben, und man sieht: So luftig und leicht verdaulich sie geschrieben ist, so viel bietet sie doch Anlass, zu spekulieren, mitzufiebern – und sich einfach auf das nächste kleine Kapitel zu freuen! Ich hoffe nämlich, dass wir darauf nicht wieder acht Jahre warten müssen! Denn, wie ja hoffentlich aus meinem Geschreibsel hervorgeht: Die Geschichte hat mich erneut in den Bann gezogen, als sei sie der Ereb höchstselbst, und ich möchte sie wirklich weiterlesen.

    So oder so: Willkommen zurück im Forum, Van Gorn!


    P.S.: Eine kleine Fehlerliste; die „ss/ß“-Sachen führe ich mal darauf zurück, dass du offensichtlich Schweizer bist, und da ist das ja kein Fehler:
    Das Gesicht des Fremden war von zahlreichen Narben übersäht, von Falten war jedoch nichts zu sehen.
    übersät
    Lehrt Adanos seinen Sumpfkrautbecher über uns aus?
    Leert
    Viele Bewohner sprachen ihn auf seinen Kontrollgängen an, wollten genaueres wissen.
    Genaueres
    Es war an wichtigeres zu Denken, als an einen kleinen Mörder weit weg vom Festland.
    Es war an Wichtigeres zu denken als an einen kleinen Mörder weit weg vom Festland.
    ------------------------------------------------------------------------------

  15. Beiträge anzeigen #155 Zitieren
    Knight Avatar von Van Gorn
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    Van Gorn ist offline

    Wink

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
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    Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da wird eine Story in diesen hochheiligen Forumshallen im Jahr 2009, das aus heutiger Sicht ja fast noch als Story-Forum-Ursuppe gelten kann, gestartet, in den Folgejahren immer mal wieder weitergeschrieben, im Jahr 2016 sodann vorerst zuletzt fortgesetzt – und dann gibt es aus völlig heiterem Himmel im Jahr 2024 auf einmal einen neuen Post. Wahnsinn! Damit hat Van Gorn sich mit seiner Geschichte „Terror ist Schlecht“ wohl locker auf die Top-5-Rangliste der spektakulärsten Comebacks gesetzt!

    [...]

    So oder so: Willkommen zurück im Forum, Van Gorn!


    P.S.: Eine kleine Fehlerliste; die „ss/ß“-Sachen führe ich mal darauf zurück, dass du offensichtlich Schweizer bist, und da ist das ja kein Fehler:
    [...]
    ------------------------------------------------------------------------------
    Lieber John, danke vielmals für die netten Worte, tatsächlich waren deine Kommentare und dein Interesse auch immer eine Motivation zu schreiben. Mit Frau und Kind ging das die letzten Jahre unter, aber letztens ist mir das Forum wieder in den Sinn gekommen, und mir war, als ob eine Geschichte nicht fertig geschrieben sei. Und so vergeht die Zeit!
    Die Fehler habe ich natürlich gleich korrigiert, vielen Dank!
    Und ich versuche, die Geschichte nicht erst wieder in 8 Jahren fortzusetzen
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  16. Beiträge anzeigen #156 Zitieren
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    Ajnif ist offline
    Ein Kommentar zu Hasenkönig


    Lieber John

    zuerst einmal möchte ich mich für meine wirklich tolle Wichtelgeschichte bedanken. Sie kam tatsächlich zu einem wirklich guten Zeitpunkt.

    Deine Geschichte hat mich an das aktuelle Deutschthema der Motte erinnert. Sie nimmt aktuell Fabeln durch, die ja auch immer eine Moral vermitteln wollen.

    Deine Geschichte hat diese Moral oder den tieferen Sinn eben auch.
    Da gibt es Niclas, der dort lebt, wo die Hasen ihm „Guten Tag und Gute Nacht sagen“. Der einzige Ort gar, wo es Hasen gibt, wie er selber erkannt hat, durch seine Reisen. Er selber hat diesen Ort gewählt, sich zurückgezogen und bewusst „alleine“ lebt. Denn wirklich alleine lebt er ja eigentlich doch nicht. In seinem Leben findet Interaktion statt. Die mit den Tieren. Unschuldige kleine Hasen, die er gerne von früh bis spät beobachtet, die vor ihm keine Angst haben müssen, ihre natürliche Scheu vor dem Jäger, der nicht jagen will, aber niemals wirklich ablegen.
    Und dann lernt Niclas den Hasenkönig kennen. Ein Geschöpf, das sich abhebt von den Hasen, die ihn umgeben. Das beschreibst du sehr eindrucksvoll.
    Der Hasenkönig kommt mit Niclas ins Gespräch. Es wird deutlich, dass Niclas alles für die Hasen machen würde, um sie vor Unheil zu schützen.
    Aber jetzt mal ehrlich, wer hätte denn auch gedacht, dass hinter dem niedlich dreinblickenden Hasen mehr stecken könnte, als ein Hase? Niclas tat dies jedenfalls nicht, lauschte den Worten des Hasen und trotz erster eventueller Bedenken, tötet er im Auftrag des Hasen einen Mann.

    Das dies vielleicht ein Fehler gewesen sein mag, findet er erst später heraus. Er war zu gutgläubig und hat in Wahrheit einem Dämon im Hasenkostüm geholfen.

    Deine Geschichte hat also durchaus eine Moral. Nur weil jemand niedlich und wehrlos scheint, bedeutet dies nicht, dass er dies auch ist. Nur weil jemand vertrauenswürdig erscheint, sollte man dennoch keine „Klippe herunterspringen“ und auch weiterhin an seinen moralischen Wertvorstellungen festhalten. Aber wie oft im Leben passiert genau das? Wie viele Menschen sind bereits auf die bloße Optik und Nettigkeit Anderer hereingefallen und haben im Glauben etwas Gutes oder Richtiges zu tun ihre eigenen Wertvorstellungen vergessen?

    Ich danke dir wirklich sehr für deine Geschichte. Ich habe sie gerne gelesen und ich werde sie der Motte irgendwann bestimmt auch vorstellen. Denn die vermittelte Moral der Geschichte ist in meinen Augen eine besonders wichtige.

  17. Beiträge anzeigen #157 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Zitat Zitat von Van Gorn Beitrag anzeigen
    Lieber John, danke vielmals für die netten Worte, tatsächlich waren deine Kommentare und dein Interesse auch immer eine Motivation zu schreiben. Mit Frau und Kind ging das die letzten Jahre unter, aber letztens ist mir das Forum wieder in den Sinn gekommen, und mir war, als ob eine Geschichte nicht fertig geschrieben sei. Und so vergeht die Zeit!
    Die Fehler habe ich natürlich gleich korrigiert, vielen Dank!
    Und ich versuche, die Geschichte nicht erst wieder in 8 Jahren fortzusetzen
    Ich finde das besonders schön, wenn jemand trotz langer - und ja gut begründeter - Abwesenheit dann doch noch an das Forum denkt und sich spontan zurückmeldet. Und das dann auch noch mit so einer tollen Story!




    Zitat Zitat von Ajnif Beitrag anzeigen
    Ein Kommentar zu Hasenkönig


    Lieber John

    zuerst einmal möchte ich mich für meine wirklich tolle Wichtelgeschichte bedanken. Sie kam tatsächlich zu einem wirklich guten Zeitpunkt.

    Deine Geschichte hat mich an das aktuelle Deutschthema der Motte erinnert. Sie nimmt aktuell Fabeln durch, die ja auch immer eine Moral vermitteln wollen.

    Deine Geschichte hat diese Moral oder den tieferen Sinn eben auch.
    Da gibt es Niclas, der dort lebt, wo die Hasen ihm „Guten Tag und Gute Nacht sagen“. Der einzige Ort gar, wo es Hasen gibt, wie er selber erkannt hat, durch seine Reisen. Er selber hat diesen Ort gewählt, sich zurückgezogen und bewusst „alleine“ lebt. Denn wirklich alleine lebt er ja eigentlich doch nicht. In seinem Leben findet Interaktion statt. Die mit den Tieren. Unschuldige kleine Hasen, die er gerne von früh bis spät beobachtet, die vor ihm keine Angst haben müssen, ihre natürliche Scheu vor dem Jäger, der nicht jagen will, aber niemals wirklich ablegen.
    Und dann lernt Niclas den Hasenkönig kennen. Ein Geschöpf, das sich abhebt von den Hasen, die ihn umgeben. Das beschreibst du sehr eindrucksvoll.
    Der Hasenkönig kommt mit Niclas ins Gespräch. Es wird deutlich, dass Niclas alles für die Hasen machen würde, um sie vor Unheil zu schützen.
    Aber jetzt mal ehrlich, wer hätte denn auch gedacht, dass hinter dem niedlich dreinblickenden Hasen mehr stecken könnte, als ein Hase? Niclas tat dies jedenfalls nicht, lauschte den Worten des Hasen und trotz erster eventueller Bedenken, tötet er im Auftrag des Hasen einen Mann.

    Das dies vielleicht ein Fehler gewesen sein mag, findet er erst später heraus. Er war zu gutgläubig und hat in Wahrheit einem Dämon im Hasenkostüm geholfen.

    Deine Geschichte hat also durchaus eine Moral. Nur weil jemand niedlich und wehrlos scheint, bedeutet dies nicht, dass er dies auch ist. Nur weil jemand vertrauenswürdig erscheint, sollte man dennoch keine „Klippe herunterspringen“ und auch weiterhin an seinen moralischen Wertvorstellungen festhalten. Aber wie oft im Leben passiert genau das? Wie viele Menschen sind bereits auf die bloße Optik und Nettigkeit Anderer hereingefallen und haben im Glauben etwas Gutes oder Richtiges zu tun ihre eigenen Wertvorstellungen vergessen?

    Ich danke dir wirklich sehr für deine Geschichte. Ich habe sie gerne gelesen und ich werde sie der Motte irgendwann bestimmt auch vorstellen. Denn die vermittelte Moral der Geschichte ist in meinen Augen eine besonders wichtige.
    Ja, vielen Dank, Ajnif, für diesen netten Kommentar! Und ich freue mich natürlich besonders, dass das jetzt thematisch ein zufälliger Glückstreffer war.

  18. Beiträge anzeigen #158 Zitieren
    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Hätte ich nach dem ersten Satz von „Das rote Ei“ schon tippen müssen, von wem die Wichtelgeschichte für El Toro stammt, dann hätte ich wohl da schon auf Laidoridas getippt, und der Rest der Geschichte gab dieser Vermutung dann auch schnell Recht.
    Und ich hab beim Schreiben noch gedacht, dass das ja mal ein ungewöhnlicher Einstieg für mich ist und mich da bestimmt niemand direkt auf dem Zettel haben wird. Naja.

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    So gesehen hätte die Geschichte natürlich auch sehr gut von El Toro selbst kommen können (die gewissen Ähnlichkeiten im Schreibstil zwischen Laido und El Toro haben sich in der Vergangenheit ja immer wieder gezeigt), und das ist ja auch eines der schönsten Komplimente, das man einer Wichtelgeschichte machen kann, finde ich: Dass sie so sehr zum Beschenkten passt, dass sie auch aus dessen Feder stammen könnte!
    Das müssen aber schon sehr oberflächliche Ähnlichkeiten sein, also El Toros neuestes Werk hätte ich ganz sicher nicht so schreiben können. Aber gegen solche Vergleiche hab ich natürlich gar nichts.

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    So unterliegt auch diese Geschichte hier einer gewissen Zutatenliste, die geradewegs aus dem Vorratsschrank von El Toro zusammengestellt sein könnte: Die Protagonisten sind unkontrolliert agierende Kinder/Jugendliche, es geht um Ängste und Beklemmungen, es geht um Geräusche, es geht um Horror und Grusel. Und: Es geht um Archolos! Wenn Laido hier nun extra zum Verfassen dieser Geschichte angefangen hat, Archolos zu spielen, dann war das in doppelter Hinsicht eine absolut gute Entscheidung!
    Das hatte ich schon vorher angefangen, aber es passte dann natürlich super. Ich hab ja schon versucht, thematisch etwas zu finden, das El Toro gefallen könnte, und da war konnte ich mir beim Archolos-Setting ja schon mal relativ sicher sein.

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Ich selber habe ja keine Geschwister, weder ältere noch jüngere, aber zumindest teilweise hat mein älterer Cousin tageweise die Rolle eines älteren Bruders eingenommen, und daher konnte ich mich sehr gut in die Gefühle des Protagonisten hineinfühlen, wie er ganz klar erkennt, dass das, was hier gemacht wird, viel zu gefährlich ist, es aber andererseits auch kein Zurück geben kann, zumal man dann möglicherweise alleine zurückgelassen wird. Und letzteres betrifft beim Protagonisten das Weitererzählen der Geschichte wie auch das Heraufklettern auf die Stadtmauer und das Herunterklettern bzw. -fallen in den Wald gleichermaßen!
    Ich habe beim Schreiben da gar nicht drüber nachgedacht, aber wahrscheinlich habe ich damit wirklich die nervenaufreibenden Nachmittage im Zimmer meines Bruders verarbeitet, als ich ihm beim Spielen von "Schatten über Riva" zugucken durfte und all diese schockierenden "Irgendwelchen Leuten werden Parasiteninsektenviecher ins Hirn gepflanzt"-Zwischensequenzen über mich ergehen lassen musste. Oder noch schlimmer, die gruseligen Totenköpfe in der Liste der Partymitglieder, wenn mal wieder einer gestorben ist.

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Auf dieser Unsicherheit aufbauend stellt sich dann die Frage, was vom Geschehen rund um die Scavengerversammlung im Wald und dem eierlegenden Scavengermann wirklich so geschehen wird. Und ja: Bei nüchternem Blick ist es ziemlich eindeutig, dass das hier die verletzungsbedingte Ausgeburt einer übersteigerten Kinderfantasie war, da hätte es die Zusatzerklärung rund vom Bodowins zusammengepanschten Heiltrank eigentlich kaum noch gebraucht.
    Ohne die hätte es aber die Geschichte wohl so gar nicht gegeben. Die Stelle im Spiel, als man Bodowins Heiltrank testen soll und er dann plötzlich einen Scavengerkopf hat, war quasi die Geburt dieser Story-Idee. Allein schon deswegen musste der Trank natürlich drin bleiben.

    Vielen Dank für deinen wie immer großartigen Kommentar, John! Und auch für die ganzen anderen Wichtel-Kommentare, die ich auch wieder mit großer Freude gelesen habe. Man nimmt das immer irgendwie so als selbstverständlichen Teil des Wichtelevents hin, dass am Ende dieser riesige Batzen Kommentare von dir kommt, aber selbstverständlich ist das ja echt nicht.

  19. Beiträge anzeigen #159 Zitieren
    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Um die Wichtelgeschichten auch noch ein bisschen zu würdigen, hau ich mal noch ein paar Mini-Kommentare raus:

    Und ich fange an mit Johns Geschichte Hasenkönig für Ajnif. Die kommt auf den ersten Seiten erstmal ganz idyllisch daher und überrascht dann umso mehr mit der deutlich rabiateren zweiten Hälfte, die auf einmal Abgründe offenbart, die ich so nun wirklich nicht habe kommen sehen.
    Den Weidenhügel habe ich im Spiel selbst ja damals lange Zeit gar nicht gefunden (ich glaube sogar, ich hab den erst im zweiten Spieldurchlauf mit Addon zum ersten Mal entdeckt), weshalb der für mich gefühlt immer so ein bisschen was Herausgehobenes an sich hat, so als ob er gar nicht so richtig zum Rest der Spielwelt dazugehört. Dieses Gefühl passte ziemlich gut zu deiner Geschichte, wo sich abseits der Inselgesellschaft auf dem Weidenhügel Geschehnisse abspielen, die dem ersten Eindruck nach geradezu märchenhaft anmuten. Der Hasenkönig, mit dem Niklas auf einmal sprechen kann, hat bei aller majestätischen Größe ja auch etwas ziemlich Niedliches an sich, insbesondere bei seinem knuffigen Abgang mit Geschnüffel und Näschen in die Höhe recken (das war wirklich ganz herzallerliebst ). Aber zu diesem Zeitpunkt ist dann auch schon klar, dass das Anliegen des Hasenkönigs nicht ganz so niedlich ist. Im Märchen gehts ja auch gerne mal ein bisschen brutaler zu, so dann auch hier: Die Tierwelt von Khorinis fühlt sich gestört von einem durch die Gegend mordenden Typen, in dem ziemlich deutlich der namenlose Held erkennbar ist. Und aus Sicht der "Mistviecher" ist natürlich sehr gut verständlich, dass sie den gerne loswerden wollen. Dieser ungewohnte Blick auf die Spielfigur, der den vermeintlichen Helden als regelrechtes Monster wahrnimmt, hat mir persönlich als jemandem, der Fleischwanzen ja selbstverständlich immer nur ganz vorsichtig mit der CD-Rohling-Plastikhaube vor die Tür setzen würde, natürlich sehr gut gefallen, ist ja klar! Mich hat dann aber an der Stelle schon überrascht, wie selbstverständlich Niklas diesem Mordauftrag zustimmt - und wie problemlos der im Anschluss tatsächlich durchzuführen ist. Der echte Held hätte ja auf der hier angedeuteten Erfahrungsstufe sicher locker ein ganzes Dutzend Pfeile im Hals weggesteckt, aber es ist bestimmt nicht die schlechteste Entscheidung, das hier in der Geschichte ein bisschen realistischer zu handhaben. Und der Moment, an dem "unser" Held von Niklas so völlig ohne Gegenwehr aus dem Hinterhalt gemeuchelt wird, ist auch ein wirklich starker.
    Der endgültige Twist kommt dann aber erst gegen Ende: Nicht der namenlose Held ist das wahre Monster, sondern der offenbar regelmäßig durchdrehende Berserker-Niklas, der nicht ganz ohne Grund fernab der Zivilisation auf einem Weidenhügel rumhockt. Ob sich das gesamte Geschehen ausschließlich in Niklas' Kopf abgespielt hat, ist dann aber so eindeutig auch wieder nicht, denn woher wusste er dann von der Ankunft des namenlosen Helden, den er ja vorher wohl nicht selbst zu Gesicht bekommen hat? Vielleicht gibt es den Dämonen, der ihm in Hasengestalt den Mordauftrag gegeben haben soll, also wirklich, und der ist womöglich auch für Niklas' vorherige Ausraster verantwortlich? Es könnte aber natürlich auch sein, dass Niklas von seinem Aussichtspunkt den Helden doch hat kommen sehen, auch wenn das so jetzt nicht erwähnt wird. Gefällt mir auf jeden Fall gut so, dass es nicht die ganz klare Antwort gibt.
    Witzig ist natürlich auch, dass die umgedrehten Namen aus Ajnifs Familie hier als dämonische Namen verwendet werden (in diesem Zusammenhang kommt mir dann übrigens auch die Füchsin schwer verdächtig vor!), wobei das vielleicht gleichzeitig auch ein kleiner Kritikpunkt an der Story wäre, denn ein bisschen fremdkörpermäßig kommen die Ajnif-Bezüge am Ende dann doch daher. Insgesamt hat mir die Geschichte aber echt richtig gut gefallen, vor allem weil sie so eine schöne unvorhersehbare Entwicklung vom Freundlich-Idyllischen ins Unwirkliche und Unheimliche hin durchmacht. Und sie hat so eine gewisse Ernsthaftigkeit an sich und ist einfach richtig toll erzählt. Außerdem, was ja auch nicht ganz unwichtig ist: Der letzte Satz sitzt perfekt und ist ein wirklich gelungener Abschluss.
    Ich hab mir noch diese drei Fehler hier herausgeschrieben:
    Niclas’ war schon lange nicht mehr in der Stadt gewesen.

    Die Stimme des Tieres befand sich vielmehr direkt Niclas’ Kopf und brachte sich über seine Gesichtsknochen zu Gehör, die in stete Schwingungen versetzt waren.

    Seine Augen hielt er zusammengekniffen, so als betrachtete er die Welt um sich herum mit einem kaum zu unterdrückenden Vergnügen, dass jederzeit in Spott umschlagen konnte.

    Die Kristallfeder von DGDM für Xrüssi ist ja leider im Rahmen des Wichtelns nicht fertig geworden, und das ist vor allem deshalb schade, weil der Anfang wirklich vielversprechend ist. Im Vergleich zur letztmaligen abgefahren-verrätselten Wichtelgeschichte für El Toro ist das hier ja deutlich leichtere Kost, soll heißen ich habe diesmal verstanden worum es geht. Am besten hat mir die Stelle gefallen, an der sich Quirinia angesichts der dauerpräsenten Stimme ihres Doktorvaters Vatras in einen regelrechten Verfolgungswahn hineinsteigert und schon wieder so ein bisschen der gewohnte DGDM-Wahnsinn durchblitzt. Gerade zu Vatras als im Spiel dauerschwafelndem Prediger passt so eine Podcaster-Tätigkeit natürlich hervorragend, aber an der Stelle bekam ich so ein bisschen das Gefühl, dass es vielleicht auch noch mehr damit auf sich haben könnte und Vatras da mit seiner ständigen Präsenz vielleicht auch eine Art von Kontrolle über die Menschen besitzt. Vielleicht ist das jetzt aber auch zu viel hineininterpetiert, ich fand das aber jedenfalls spannend. Ja, und ansonsten lässt sich noch wenig sagen, wohin das Ganze gehen würde, wenn du es fortsetzen solltest, außer dass es wohl irgendwas mit der namensgebenden Kristallfeder zu tun haben dürfte.

    Zu Ajnifs Wichtelgeschichte Bunte Eier für mich habe ich ja schon ein bisschen was geschrieben. Die Emotionen sind hier voll auf Anschlag gedreht, und ich konnte natürlich auch nicht anders, als beim Lesen mit der armen El mitzuleiden, die ihrem verschollenen Geliebten aus alten Zeiten hinterhertrauert. Ausgeglichen wird die ganze Traurigkeit dann zum Ende hin nicht nur durch das erhoffte Wiedersehen, sondern auch durch ein bisschen räudige Gothic-Action, die die Geschichte sehr schön erdet. Diese Geschichte bildet wohl am realistischsten ab, wie das Osterfest auf Khorinis wohl so umgesetzt werden würde. Das Ende habe ich anders als John dann schon als relativ eindeutiges Happy End verstanden, denn auch wenn sich Els wiederaufgetauchte große Liebe erstmal nach wie vor nicht an sie erinnern kann, ist es doch relativ offensichtlich, dass die Gefühle für El bei ihm immer noch an den richtigen Stellen sitzen, sodass einer gemeinsamen Zukunft ja wohl nichts im Wege stehen dürfte! Misstrauisch macht mich aber, dass trotz Narbe und Augenklappe immer noch alle Zähne in scheinbar makelloser Originalqualität vorhanden sind... vielleicht steht El nach der ersten gemeinsamen Nacht da noch ein kleiner Schock bevor, wenn die Zähne zusammen mit einem Corega-Tab im Wasserglas landen?

    Bei John Irenicus: Ace Attorney, Fall #001: Osters Eier für John hab ich mir ja schon auf den ersten Blick gedacht, dass die nur von Xrüssi sein kann: Zum Einen, weil ich irgendwie im Kopf hatte, dass du die Ace-Attorney-Spiele auch mal gespielt hattest (oder mir das zumindest gut vorstellen konnte), und vor allem aber, weil ich nur dir zugetraut habe, diese richtig schicken Zeichnungen hinbekommen zu haben. Die werten das Ganze auch richtig auf, find ich, weil sie die Action und Dynamik, die in so einer Ace-Attorney-mäßigen Gerichtsverhandlung offenbar drinstecken, wirklich ganz hervorragend transportieren. Ich hab ja selber nie ein Ace-Attorney-Spiel gespielt, aber dafür mal zwei Spiele der Danganronpa-Reihe, die glaube ich von der Spielmechanik her grob vergleichbar sind. Auf jeden Fall löst man da auch so Fälle und es gibt ab und zu auch gerichtsverhandlungsähnliche Diskussionsrunden, die sich teilweise ewig hinziehen und dann mit einer abstrusen Wendung nach der nächsten daherkommen. Und so ein bisschen ist es hier ja auch, wobei die Geschichte für meinen Geschmack auch ruhig noch länger hätte sein können, denn das las sich ja wirklich superfluffig weg und hat einfach Spaß gemacht. Sehr gut gewählt ist natürlich auch Cherry Pie als Johns Widersacherin Nr. 1 - hier hätte es vielleicht am Ende noch irgendeine Reaktion von ihr auf Johns Triumph geben können, da habe ich eine abschließende frustrierte Ich-verspeise-jetzt-meinen-Hut-mäßige Schlussbemerkung von ihr vermisst. Stattdessen gab es dann diesen merkwürdigen Schlussgag, den ich ja wie ich schon in der Taverne zugeben musste, nicht so richtig kapiert habe. Ob das nun Dracheneier, oder, äh, andere Eier sind, so oder so kam das für mich so ein bisschen aus dem Nichts und passt gefühlt nicht hundertprozentig zum Rest. Egal, die Story war mehr als unterhaltsam und gegen weitere John-Irenicus-Fälle würde ich keinen Einspruch erheben! ()

    Zu El Toros Das Netz des Lebens für DGDM hat John schon ganz viel geschrieben, was mir auch beim Lesen durch den Kopf gegangen ist und was ich so gut gar nicht selber hätte auf den Punkt bringen können. Mich hat die Geschichte enorm beeindruckt. Die allgegenwärtige selbstverständliche und teils beiläufige Brutalität, die die Leute gegen sich selbst und andere ausüben, wie sie da so völlig ziellos und selbstzweckhaft in einer Welt vor sich hinleben, in der es eigentlich überhaupt nichts mehr zu geben scheint, die völlig leer und einsam wirkt, weil sie auf die vermeintlichen Bedürfnisse des Menschen hin kaputtoptimiert wurde. Trotz aller Grausamkeit, die in der Geschichte insbesondere dem Wolf angetan wird (weil die Menschen hier offenbar gar nicht mehr wissen, wie man ein anderes Wesen anfasst, ohne es zu verletzen), wirken die Figuren dabei nicht bösartig, bewusst sadistisch oder großartig anders als die Leute heutzutage. Wie sie mit sich und dem Wolf umgehen, ist quasi die logische Folge aus der technologischen Entwicklung, die hier an einem Ende angekommen zu sein scheint (John hat ja schon ganz treffend von einer evolutionären Sackgasse gesprochen), und das macht die Geschichte zu wirklich gelungener Science Fiction. Gleichzeitig fand ich sie aber vor allem auch wirklich magisch auf ihre Art. Ich hatte das schon seit einer ganzen Weile nicht mehr, dass mich ein Buch oder ein Film so emotional mitnimmt, dass ich danach so dieses ganz spezielle Gefühl zwischen Sehnsucht und Traurigkeit habe, das diese Geschichte hier in mir ausgelöst hat. Ich hatte noch den ganzen Tag nach dem Lesen einzelne Szenen aus der Geschichte vor Augen: Das Pfötchengeben, der nächtliche Besuch des Wolfs oder Bella beim Auftauchen aus dem Meer. Das ist alles sowas von fantastisch geschrieben und hat auch (obwohl das jetzt ja gar nicht das Ziel war) meinen persönlichen Geschmack voll getroffen, also ich kann hier wirklich nur das allergrößte Lob aussprechen!
    Oder vielleicht auch nur das zweitgrößte Lob, denn einen ganz winzigen Mini-Verbesserungsvorschlag hätte ich trotzdem noch: Die zweite Erwähnung der NeoGuts, als die so ein bisschen im Dialog erklärt werden ("NeoGuts ist das Zauberwort, ganz genau"), die hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht, weil ich finde, dass das auch ohne die Erklärung schon deutlich geworden ist, um was es dabei geht. Das wirkte dann an der Stelle so ein bisschen zu sehr nach einer Erklärung für mich als Leser, die die Figuren sich selbst nicht so gegenseitig geben würden. Wir würden ja auch nicht im Gespräch sagen "Internet ist das Zauberwort, ganz genau, damit können wir jederzeit über große Entfernungen hinweg miteinander kommunizieren!" oder so, wenn wir das Internet schon alle seit vielen Jahren selbstverständlich benutzen. Das ist mir aber glaube ich nur deswegen so aufgefallen, weil ich dieses Gefühl ansonsten gar nicht hatte und die Geschichte das ganz elegant hinbekommen hat, die Sci-Fi-Technologien auch ohne explizite Erklärung verständlich zu machen. Und jetzt nimmt dieser läppsche Kritikpunkt eh schon viel zu viel Raum in dem viel zu kurzen Kommentar zu einer der absolut besten und faszinierendsten Geschichten ein, die ich hier im Forum (oder sonstwo) gelesen habe. Wenn es sowas wie die Wahl zur Geschichte des Jahrzehnts noch gäbe, hätte ich jetzt einen ganz heißen Favoriten.
    Nichts desto trotz schließe ich auch in diesem Fall natürlich wie immer ganz uncharmant mit einem banalen Tippfehler. Da, bitteschön:
    Fru Sagitta hat ihn gehasst.

  20. Beiträge anzeigen #160 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Ohne die hätte es aber die Geschichte wohl so gar nicht gegeben. Die Stelle im Spiel, als man Bodowins Heiltrank testen soll und er dann plötzlich einen Scavengerkopf hat, war quasi die Geburt dieser Story-Idee. Allein schon deswegen musste der Trank natürlich drin bleiben.
    Ja, das stimmt, so gesehen hat das natürlich absolut seine Berechtigung!



    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Den Weidenhügel habe ich im Spiel selbst ja damals lange Zeit gar nicht gefunden (ich glaube sogar, ich hab den erst im zweiten Spieldurchlauf mit Addon zum ersten Mal entdeckt), weshalb der für mich gefühlt immer so ein bisschen was Herausgehobenes an sich hat, so als ob er gar nicht so richtig zum Rest der Spielwelt dazugehört. Dieses Gefühl passte ziemlich gut zu deiner Geschichte, wo sich abseits der Inselgesellschaft auf dem Weidenhügel Geschehnisse abspielen, die dem ersten Eindruck nach geradezu märchenhaft anmuten.
    Da hoch oben ist das ja per se schonmal herausgehoben. Aber ich weiß, was du meinst. Ich glaube, ich habe diesen Ort damals beim Spielen sogar recht früh gefunden, aber so ein bisschen etwas Fremdartiges hatte der Hügel für mich auch immer.

    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Der Hasenkönig, mit dem Niklas auf einmal sprechen kann, hat bei aller majestätischen Größe ja auch etwas ziemlich Niedliches an sich, insbesondere bei seinem knuffigen Abgang mit Geschnüffel und Näschen in die Höhe recken (das war wirklich ganz herzallerliebst ).
    Das finde ich schön, da habe ich mich ja auch von den leibhaftigen Vorbildern inspirieren lassen, die sich auf meiner üblichen Spazier- und Laufrunde tummeln, wenn das Wetter gut genug ist (die Kaninchen dort waren generell Ideengeber für die Geschichte).

    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Dieser ungewohnte Blick auf die Spielfigur, der den vermeintlichen Helden als regelrechtes Monster wahrnimmt, hat mir persönlich als jemandem, der Fleischwanzen ja selbstverständlich immer nur ganz vorsichtig mit der CD-Rohling-Plastikhaube vor die Tür setzen würde, natürlich sehr gut gefallen, ist ja klar!
    Ja, aus Sicht von wahrscheinlich über 95 % der Kreaturen auf Khorinis muss unser Held schlicht und ergreifen wie ein gefährlicher Feind wirken, dem man am besten niemals begegnet.

    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Mich hat dann aber an der Stelle schon überrascht, wie selbstverständlich Niklas diesem Mordauftrag zustimmt - und wie problemlos der im Anschluss tatsächlich durchzuführen ist. Der echte Held hätte ja auf der hier angedeuteten Erfahrungsstufe sicher locker ein ganzes Dutzend Pfeile im Hals weggesteckt, aber es ist bestimmt nicht die schlechteste Entscheidung, das hier in der Geschichte ein bisschen realistischer zu handhaben. Und der Moment, an dem "unser" Held von Niklas so völlig ohne Gegenwehr aus dem Hinterhalt gemeuchelt wird, ist auch ein wirklich starker.
    Genau, erstens sollte das hier natürlich realistischer vonstatten gehen, und zweitens wollte ich das Prozedere natürlich verkürzen: Einerseits wegen des angestrebten Umfangs der Geschichte, andererseits aber auch, weil das so alles irgendwie viel kaltblütiger wirkt, wenn das so schnell geht.

    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Der endgültige Twist kommt dann aber erst gegen Ende: Nicht der namenlose Held ist das wahre Monster, sondern der offenbar regelmäßig durchdrehende Berserker-Niklas, der nicht ganz ohne Grund fernab der Zivilisation auf einem Weidenhügel rumhockt. Ob sich das gesamte Geschehen ausschließlich in Niklas' Kopf abgespielt hat, ist dann aber so eindeutig auch wieder nicht, denn woher wusste er dann von der Ankunft des namenlosen Helden, den er ja vorher wohl nicht selbst zu Gesicht bekommen hat? Vielleicht gibt es den Dämonen, der ihm in Hasengestalt den Mordauftrag gegeben haben soll, also wirklich, und der ist womöglich auch für Niklas' vorherige Ausraster verantwortlich? Es könnte aber natürlich auch sein, dass Niklas von seinem Aussichtspunkt den Helden doch hat kommen sehen, auch wenn das so jetzt nicht erwähnt wird. Gefällt mir auf jeden Fall gut so, dass es nicht die ganz klare Antwort gibt.
    *piratenwahrsagersmiley*

    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Witzig ist natürlich auch, dass die umgedrehten Namen aus Ajnifs Familie hier als dämonische Namen verwendet werden (in diesem Zusammenhang kommt mir dann übrigens auch die Füchsin schwer verdächtig vor!), wobei das vielleicht gleichzeitig auch ein kleiner Kritikpunkt an der Story wäre, denn ein bisschen fremdkörpermäßig kommen die Ajnif-Bezüge am Ende dann doch daher.
    Das stimmt natürlich, dass die schon eher offensichtlich nicht so ganz ins Setting passen. Das geht aber bei der Füchsin an sich, auch ohne deren Namen, auch schon irgendwie los, und so gesehen fand ich diesen Hauch der Fremdartigkeit, der dann so gar nicht mehr zum vorher Erlebten passt, auch bezüglich der Namen gar nicht mal so unpassend.


    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Insgesamt hat mir die Geschichte aber echt richtig gut gefallen, vor allem weil sie so eine schöne unvorhersehbare Entwicklung vom Freundlich-Idyllischen ins Unwirkliche und Unheimliche hin durchmacht. Und sie hat so eine gewisse Ernsthaftigkeit an sich und ist einfach richtig toll erzählt. Außerdem, was ja auch nicht ganz unwichtig ist: Der letzte Satz sitzt perfekt und ist ein wirklich gelungener Abschluss.
    Ich hab mir noch diese drei Fehler hier herausgeschrieben:
    Vielen Dank fürs Lesen, den netten Kommentar und natürlich für das Fehlerfinden, Laido!

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